Absturz
Landeshauptstadt durchgeführte amtsärztliche Untersuchung Ihre gesundheitliche Nichteignung auf Dauer zur Leistung jedes Zivildienstes ergeben hat und Sie daher zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht mehr herangezogen werden. Sie haben daher auch mit keiner Zuweisung zur Leistung eines eventuellen außerordentlichen Zivildienstes zu rechnen.
Für den Bundesminister: Irgendwer halt.
Für die Richtigkeit der Ausfertigung: Der Amtsschimmel.
Das war der größte Sieg deines Lebens.
Rechtsmittelbelehrung für Rechtsmittelbelehrer: Ihr könnt dem jungen Mann mit euren Rechtsmittelbelehrungen den Buckel hinunterrutschen!
Das Kaffeehaus, in dem du diesen sensationellen Triumph deines Mittelfingers über die Staatsgewalt mit einer Portion Kastanienreis und einer Melange gefeiert hast, existiert heute nicht mehr. Die Zivildienstkommission existiert nicht mehr. Demnächst werden die allgemeine Wehrpflicht, das Bundesheer und der Zivildienst zu existieren aufhören. Nachdem du den Staat besiegt hast, besiegt er sich jetzt selbst. Der Wähler weigert sich noch immer, die Wahlzelle zu verlassen. Es ist wirklich eine sehr wichtige Wahl und eine sehr schwere Entscheidung. Dagegen ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Jetzt kommen Sie aber endlich aus der Wahlzelle heraus, Sie renitenter Anarchopazifist! Es reicht! Was bilden Sie sich ein? Verlassen Sie auf der Stelle die Wahlzelle! Das ist unsere Wahlzelle, nicht Ihre!
So, junger Mann: Ab sofort musst du aber wirklich von deinem Leben leben!
Achtung: Bisherige Lehren der Lehrjahre: Andere spielen mit dir Schicksal, wenn du nicht selber Schicksal spielst. Spiele weiter mit dir selber Schicksal! Merke: Gesund ist man immer nur für die anderen, junger Mann. Krankheit ist das einzige Eigentum, das wirklich diebstahlsicher ist und das einem niemand streitig macht. Aber jetzt, wo Genesung nicht mehr von einem Machtapparat ausgenützt und ausgebeutet würde, schlage ich vor, als Erstes lassen wir uns nun das Nasenseptum operieren und spülen die Stimmungsaufheller ins Klo!
Wir? Ich. Du hast leicht reden in deinem Alterssitz. Weißt du, in wie vielen Wartezimmern ich gewartet habe! Weißt du, mit wie vielen Ärzten ich gesprochen habe? Die einen sagen: »Vielleicht nützt eine Operation«. Die anderen sagen: »Vielleicht auch nicht.« Und je moderner die Diagnoseapparaturen, desto dramatischer die Fehldiagnosen! Weißt du, wie unangenehm so eine Operation ist, alter Herr? Wenn dir der Operateur drei Tage nach der Operation die Hartplastikziehharmonikapfropfen aus den Nasenlöchern reißt, glaubst du, er extrahiert dir das Gehirn aus dem Kopf!
Ich muss es ja wohl wissen, junger Mann! Aber glaub mir: Nach fünfunddreißig Jahren das erste Mal in deinem Leben befreit durch die Nase atmen zu können, wird ein ganz großartiges Erlebnis sein! Du tust es für uns! Und im Übrigen schlage ich dir, da doch gerade dieser faschistoide Hochglanzvolksheld hochkommt, vor, dass wir ein bisserl Abwehrkampf veranstalten. Geistige Landesverteidigung. Publizistischer Zivildienst. Gib dem Zivildienst einen Sinn! Wir machen Zivildienst, wann wir wollen!
Daran hab ich auch schon gedacht, alter Herr! Versuchen kann man es ja. Aber das eigentliche Problem kennst du selbst doch am allerbesten: Dieses Land will in Wirklichkeit überhaupt nicht verteidigt werden. Und wie soll man dem mündigen Staatsbürger in der Wahlzelle helfen, wenn er nur die Wahl hat zwischen einem Apparatstyrannen und einem manisch-depressiven Saulümmel?
Unterdessen hast du fleißig zu publizieren begonnen, junger Mann: Hier eine Erzählung, da eine Satire, dort ein Essay, wie es sich eben gerade fügte und wie sie dir kamen und aus dem Kopf purzelten. Jahrelang hattest du Hunderte Kilo Manuskripte hinaus in die Welt geschickt, und wie ein Bumerang war Kilogramm für Kilogramm aus der ignoranten Welt zurückgekommen. Das eigentliche Kunststück war, in all den Jahren nicht zu verzweifeln und zu zerbrechen, nicht zu resignieren, nicht aufzuhören. Das eigentliche Kunststück war, alle Diagnosen für Fehldiagnosen, alle Urteile für Vorurteile und Fehlurteile zu halten und wegzuschieben, selbst wenn es gar keine waren. Du hast deine Sachen ganz mechanisch weiterverschickt, ohne große Erwartung, ohne große Hoffnung, einfach so, wie ein anderer seine Notdurft verrichtet: Es musste eben sein.
Als nach Jahren plötzlich der Brief des Feuilletonchefs der renommiertesten Zeitung des Landes mit der Mitteilung
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