Abtruennig
aufhielten. Für unsereins geradezu ideal. Wir mussten uns vor niemanden fürchten, ganz im Gegensatz zu den Sterblichen um mich herum. Betrunkene Raufbolde taumelten mir entgegen und leicht bekleidete Frauen winkten mir aus schmutzigen Schaufenstern zu. Es hatte ein wenig von dem gleichen Charme, wie damals Paris, als ich in einer schäbigen Seitengasse meinem Schöpfer begegnete. Peter hatte sich in so vielen Dingen geirrt. Allein schon in diesem Punkt war Vincent der Alte geblieben, er liebte den Überfluss und zwar in vielerlei Hinsicht.
Ich setzte meinen Weg fort und lief tiefer in das verruchte Viertel hinein. Nach ein paar Minuten nahm ich eine viel versprechende Spur auf; wenn man mal vom Alkoholgeruch absah.
„ Het geld danst in zijn zak…“ Hörte ich plötzlich hinter mir. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass ich gemeint war. Ich trug für diesen Ort schließlich vollkommen unpassende Kleidung. Mein Niederländisch war nicht besonders gut, aber ich konnte zumindest verstehen, was der Mann von mir dachte…und wollte. Ich blieb stehen und tat so, als ob ich mir meine Schuhe zubinden wollte, damit sie Zeit hatten, mich zu erreichen. Es waren zwei Männer, beide ziemlich groß, aber recht hager. Sie waren angetrunken und ihre Angriffslust schlug mir regelrecht ins Gesicht. Manchmal dachte ich mir, dass ich solche Typen geradezu anlockte. Es war einfach zu leicht. Ich drehte mich zu ihnen um. „Meinen Sie mich, Sir?“, fragte ich in meinem besten Englisch.
Sie schienen mich zu verstehen, aber der eine grummelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin. „…geld…“, war das Einzige, was ich verstand. „Tut mir leid, ich spreche kein Niederländisch“, erklärte ich höflich.
„ Het is mij gelijk!“, blaffte einer von ihnen. Natürlich war es ihm egal.
Ich sondierte blitzschnell die Lage. Es war spät und das meiste Gesindel um uns herum war entweder mit anderen Dingen beschäftigt oder dermaßen mit Drogen vollgepumpt, dass sie ohnehin nicht mehr verstehen würden, was gleich passierte. Ich antwortete nicht mehr. Die beiden Kerle machten einen weiteren Schritt auf mich zu und ich ließ in der gleichen Sekunde meinem fordernden Trieb freien Lauf. Ich hatte das Gefühl, das meine Eckzähne sich schneller verformten als sonst. Das Knurren, das aus meiner Brust kam, erschreckte mich fast schon selbst. Die Erkenntnis blitzte in den Augen meiner potenziellen Beute auf. Die Panik übermahnte sie rascher als ich es erwartet hatte und sie rannten ruckartig in entgegengesetzte Richtungen. Ich hatte nicht vor beide entkommen zulassen…ich hatte eigentlich nicht vor auch nur einen von ihnen entwischen zu lassen. Ich sog die kalte Luft in meine ausgedörrten Lungen und ich entschied mich zuerst in die linke Richtung zu laufen. Der Mann hastete in eines, der naheliegenden Gebäude. Es war anscheinend eine Art Bar und ziemlich gut gefüllt. Ich dachte, dass ich seine Fährte, in all diesen verschiedenen Gerüchen verlieren würde. Das genaue Gegenteil war der Fall. Der Duft seines Blutes war in dem Haus durchdringender als eben noch auf der Straße. Kehrten meine präzisen Sinne endlich vollständig zurück?
Nein. Es war besser! Ich fühlte mich von meinen Wahrnehmungen überwältigt. Es war wie damals, als ich zum ersten Mal meine neuen Fähigkeiten ausprobieren konnte. Ich stand im Türrahmen und ließ meinen Blick umherschweifen. In dem Gewusel von trinkenden und rauchenden Menschen fiel ich eigentlich nur durch meine edle Kleidung auf. Es schien allerdings niemanden zu interessieren, bis auf einen dünnen Mann, der mich aus einem angsterfüllten Gesicht anstarrte. Er war bis in den hintersten Teil der Kneipe zurückgewichen. Mein Mund war geschlossen und verbarg meine tödliche Waffe als ich durch die zappelnde Menge schritt. Er saß in der Falle und er schien es zu wissen. Zu seiner rechten Seite lag eine Theke und die andere Richtung war durch einige Spielautomaten und Flipper blockiert. Er konnte nur auf mich warten oder versuchen mich in die Flucht zu schlagen. Es fiel mir schwer nicht zu grinsen. Diese Tatsache irritierte mich für den Bruchteil eines Augenblickes, denn es war nicht mein normales Verhalten.
Peter, zischte meine innere Stimme. Ich schüttelte meinen Kopf, um mich wieder zu konzentrieren.
In wenigen Sekunden war ich bei dem Mann, der sich nicht mehr vom Fleck gerührt hatte. Der Schock ließ seine Glieder erstarren, ich fühlte seinen explodierenden Herzschlag als
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