Abtruennig
ich ihm nahe war. Meine Finger legten sich um sein zitterndes Handgelenk und ich zog seinen Körper an mich heran. Mit ihm im Schlepptau, bahnte ich mir meinen Weg zurück nach draußen. Niemand sah uns an, niemand folgte uns.
Als die Nachtluft erneut meine Lungen füllte, verlor ich keine Zeit mehr. So schnell ich konnte, eilte ich mit ihm in eine dunkle Ecke, neben dem Gebäude. Ich drängte den bebenden Leib des Mannes gegen die Hauswand und meine Fangzähne strichen gierig über seinen dürren Hals. Der Puls klopfte gegen meinen Mund. Seine Ader rief mich, als wollte sie sich durch die Haut zwängen, um meine Lippen zu erreichen.
Ich machte es schnell.
Die Energie des Menschen schoss in mich, flutete mein Innerstes und ich spürte sofort, wie sich mein Körper veränderte. Für einen kurzen Moment erschienen Bilder vor meinem inneren Auge. Es waren anscheinend Erlebnisse dieses Mannes, doch sie ließen sofort nach, als ich sie zurück trieb. Er wurde rasch schwächer, seine Glieder sackten zusammen und ich musste ihn festhalten, damit er nicht auf den Boden fiel. Ich war mir nie sicher gewesen, wie Peter seine Gabe einsetzte. Der Mensch in meinem Armen war zwar kein Samariter, doch ich wollte ihm auch nicht das Leben nehmen. Er war keiner von den miesen Typen, die man aus dem Verkehr ziehen musste. Ein Kleinganove, der eigentlich nur um sein Leben kämpfte und vermutlich versuchte sein Elend im Alkohol zu ertränken.
Bevor das Leben aus ihm weichen konnte, ließ ich von ihm ab. Er sollte noch genügend Blut in seinen Adern haben, sonst würde diese Situation zu auffällig werden. Seine trüben Augen starrten mich ausdruckslos an. Ich legte ihn vorsichtig auf den Boden ab und lehnte seinen Rücken gegen die Hauswand. Er würde wieder zu Kräften kommen und selbst wenn er seine Erinnerungen erneut ordnen konnte, so war ich mir ziemlich sicher, dass ihm kaum jemand Glauben schenken würde. Nicht mit seinem Alkoholgehalt im Blut, nicht in dieser Gegend. Die Wunde an seinem Hals sah aus, wie ein Biss von einem tollwütigen Hund, das musste letztendlich einfach reichen.
Ich sprang aus dem Schatten und rannte in die Richtung, in die sein Freund geflüchtet war. Mir fiel erst jetzt auf, dass er den Weg eingeschlagen hatte von dem ich gekommen war. Wenn ich den Mann auf Vincents Anwesen erwischen würde, wäre das natürlich leichter. Der Geruch seines Angstschweißes stieg mir schnell in die Nase und ich konnte seine Schritte wieder hören. Sein Atem ging flach und schwer, er schien kurz inne zu halten, um Luft zu holen. Seine Verschnaufpause sollte nicht lange währen. Ich konnte schon fast wieder mein normales Tempo laufen, also vergingen nur wenige Sekunden, bis ich ihn erreicht hatte. Er hockte vor dem hohen Eisenzaun, der das Gelände von Vincents Anwesen umsäumte. Er bemerkte mich erst, als ich schon neben ihm stand. Ein Schrei, der aus seiner Kehle kriechen wollte, verstummte augenblicklich, als ich meine Hände, um seinen Hals legte. Die Furcht war deutlich präsent, aber sein Überlebensinstinkt setzte schlagartig ein. Ich sah das Messer, bevor er damit auf mich einstach. Die scharfe Klinge schnitt sich in meine Handfläche, als ich die Waffe abwehrte. Ein kurzer Schmerz, der mich nicht weiter kümmern sollte, und trotzdem packte mich plötzlich eine unbekannte Wut. Ich riss den verstörten Menschen unsanft von den Füßen und ohne zu zögern, warf ich ihn über die Gitterstangen der Abgrenzung. Sein leichter Körper kam mit einem dumpfen Geräusch, auf dem weichen Boden des Vorgartens auf. Die Luft entwich lautstark aus seinen gequetschten Lungen. In nur einem Satz war ich bei ihm. Obwohl er verletzt war, versuchte er auf allen Vieren vor mir weg zu krabbeln. Ich schnappte seine Arme und zerrte ihn weiter in Richtung Haus. Hinter einer dicht bewachsenen Fichte schlug ich zu. Dieses Mal beendete ich, was ich angefangen hatte.
Verlor ich etwa erneut die Kontrolle?
Es vergingen wenige Sekunden als ich aus meinen Augenwinkeln eine Bewegung bemerkte. Vincent erschien im Türrahmen. „Gestärkt?“, fragte er. Seine Worte waren nur ein Flüstern, doch ich hörte ihn, als stünde er direkt neben mir.
Ich nickte ohne etwas zu erwidern und stand auf.
„ Ich gehe mal davon aus, dass diese arme Seele es nicht anders verdient hat?“ Seine dunklen Augen musterten mich eingehender. Bevor ich jedoch antworten konnte, hob er auch schon die Hand. „Wie auch immer. Kümmere dich nicht weiter um ihn. Es gibt auch
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