Abtruennig
klang ein wenig spöttisch, aber er schmunzelte bei seinen Worten.
Ich lehnte mich etwas nach hinten, um Lesleys Gesicht zu betrachten. „Ich habe dein Flüstern gehört, als du zu mir gekommen bist.“
Sie wirkte überrascht. „Flüstern? Ich habe so laut gerufen, dass der Widerhall in meinen Ohren dröhnte.“
„ Also sind nicht nur meine Augen betroffen, sondern auch mein Gehörsinn.“ Ich seufzte und schaute zum Fenster, aber ich konnte nicht sehen, was draußen lag. Ich sah nur schwarze Schatten. „Was liegt jenseits dieses Fensters. Wo sind wir?“
„ In meiner Heimat…“
„ Amsterdam“, hörte ich mich selbst sagen.
Vincent nickte. „Ganz recht.“
„ Meine sonst so präzisen Sinne scheinen also schlechter geworden zu sein…“
„ Ja, sieht momentan ganz so aus. Dafür bist du aber ziemlich stark.“ Seine Stirn legte sich in Falten. „Möglicherweise bist du sogar stärker als ich.“
Ich zuckte unweigerlich zusammen. „Als du? Das kann ich nicht glauben.“
„ Nun, ich habe mich nicht freiwillig gegen die Zimmerwand schleudern lassen, so viel kann ich dir versichern.“ Er grinste.
„ Bitte entschuldige…“
Er hob sofort die Hand. „Das warst nicht du! Wichtig ist jetzt nur, dass du die Kontrolle behältst, bis die Fähigkeit ein Teil von dir ist.“
„ Ist das denn möglich?“ Die Frage kam von Lesley.
Vincent nickte. „Ich bin diesbezüglich sehr zuversichtlich.“ Er klatschte – anscheinend belustigt – in die Hände. „So, nun solltest du dich aber frisch machen, Nicholas. Abgesehen davon, dass du deine Freundin mit Blut und Dreck beschmiert hast, siehst du grauenhaft aus. So, als wärst du gerade aus einer Gruft gestiegen.“
Ich stöhnte. „So fühle ich mich auch.“
„ Wie wäre es mit einem heißen Bad?“
Vincent und ich sahen Liz gleichzeitig an. Wir hatten beide ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. „Ein Bad klingt gut, aber wenn du nicht mit mir kommst, dann kann das Wasser ruhig eisig sein. Das macht mir doch nichts aus.“
Sie sah mir tief in die Augen. „Nun, der Schmutz wird leichter abgehen, wenn das Wasser warm ist…“
Das bedeutete dann wohl, dass sie mitkommen würde.
19. Unter Kontrolle
Meine Wunden waren teilweise bereits verheilt und die anderen hatte Lesley mit Unmengen von Verbandszeug zugepflastert. Vielleicht hätte ich ihr einfach sagen sollen, dass mein Körper sich selbst regenerierte, aber womöglich wusste sie das und wollte nur die exquisiten Stoffe schützen, die ich anziehen sollte. Vincent hatte in etwa die gleiche Größe, wie ich. Seine maßgeschneiderte Kleidung saß an mir zwar nicht so perfekt wie an ihm, aber es reichte aus, um mich wieder wohl zu fühlen.
„ Du siehst in diesen Sachen wirklich gut aus“, bemerkte Liz. Sie lehnte sich lächelnd gegen den Türrahmen des riesigen begehbaren Kleiderschrankes und beobachtete mich, wie ich die Ärmel des sündhaft teuren Hemdes nach oben krempelte.
„ Danke. Nicht unbedingt meine bevorzugte Preisklasse, doch ich könnte mich daran gewöhnen.“ Ich grinste zurück.
„ Ich bin froh, dass es dir besser geht“, flüsterte sie und das Lächeln verschwand augenblicklich. „Ich dachte, du würdest nie wieder zu mir zurück finden.“
Ich spürte, wie sich ihr gesamter Körper plötzlich anspannte. „Ich werde immer zu dir zurückkommen, ganz gleich was auch noch geschehen mag!“ Ich ging zu ihr und umarmte sie. „Du musst keine Angst mehr haben, mein Engel. Ich denke, der größte Teil ist vorüber.“
Sie hob den Kopf, um mich anzusehen. „Was macht dich da so sicher? Vincent sagte, dass er…es wieder versuchen wird, die Kontrolle zu übernehmen.“
Ich nickte. „Das ändert trotzdem nichts daran. Ich kann es kontrollieren, nicht so, wie ich es will, aber ich werde daran arbeiten.“
„ Was“, sie stockte. „Was wäre nur passiert, wenn du Peter getötet hättest und sein gesamtes Blut…“ Wieder spiegelte sich die Furcht in ihren blauen Augen.
Ich schüttelte den Kopf. „Selbst wenn meine Erinnerung gelöscht worden wäre, ich bin mir sicher, dass meine Erlebnisse und Empfindungen zurückgekehrt wären.“ Ich lächelte. „Mach dir darüber keine Gedanken.“ Behutsam griff ich nach ihrer Hand. „Ich glaube, mein Geruchssinn funktioniert wieder richtig, der Duft von Tee liegt in der Luft.“
Lesley legte ihren Kopf schief. „Tee? Vincent weiß doch inzwischen, dass ich eher ein Kaffeetrinker bin. Nicht jeder Engländer ist ein
Weitere Kostenlose Bücher