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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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selbst noch geblieben war, machte etwas mehr als vierhundert Dollar aus. Das Sümmchen schmolz schneller zusammen, als mir lieb war.
    Aber ich konnte noch nicht abreisen. Ich musste mir meinen Mann ansehen, diesen L. Keith Brassard. Ich musste den Feind kennen, ehe ich entscheiden konnte, wie und wann und wo ich ihn töten würde.
    Der Film war zu Ende, und ich ging ins Hotel zurück. Die Uferpromenade war etwas weniger belebt als gewöhnlich, doch es war immer noch genauso laut und hektisch. Ich blieb einen Augenblick stehen und sah einem Straßenverkäufer zu, der seinem Publikum erklärte, dass man zehn Jahre länger leben konnte, wenn man Gemüse in einer patentierten Gemüsepresse ausquetschte und den Dreck trank, der übrig blieb. Ich sah ihm zu, wie er ein Stück Kohl durch die Maschine trieb. Es begann mit einem ganzen Kohlkopf. Dann machte sich die Presse über ihn her. Der Verkäufer kippte die schwammigen Überreste in einen Abfalleimer und hob dann voll Stolz ein Glas mit übel aussehendem Gemüsesaft an seine Lippen. Er leerte das Glas in einem Zug und lächelte breit.
    Ich fragte mich, ob man das gleiche mit einem Menschen tun konnte, ihn in eine patentierte Fruchtpresse stecken, alle Säfte aus ihm herausquetschen, dann den Abfall in einen Eimer kippen und den Deckel zuklappen.
    Ich ging weiter und trank an einem Saftstand ein Glas Piña Colada. Ich fragte mich, wie man es herstellte. Plötzlich drängte sich mir ein erschreckendes Bild auf, wie eine Ananas und eine Kokosnuss Hand in Hand in eine patentierte Fruchtpresse hineintanzten; eine Art vegetarischer Selbstmordpakt. Ich trank die Piña Colada aus und ging ins Hotel.
    Ein Mann kam heraus, gerade, als ich eintrat. Ich sah ihn nur ganz kurz von der Seite, aber etwas an ihm kam mir bekannt vor. Ich hatte ihn schon einmal gesehen. Doch mir fiel nicht ein, wo oder wann das gewesen war oder wer er sein mochte.
    Er war klein, dunkelhaarig und dünn. Sein volles Haar war ordentlich frisiert, er trug es ziemlich lang. Sein schwarzer Schnurrbart war sorgfältig gestutzt. Er war gut gekleidet und ging mit schnellen Schritten.
    Aus irgendeinem Grund hoffte ich inständig, dass er mich nicht erkannt hatte.
    Am nächsten Tag sah ich ihn wieder.
    Ich wachte gegen zehn auf, zog mir Freizeithosen und ein offenes Hemd an und ging zum Frühstücken hinunter. Ich war am Verhungern und verschlang Waffeln, Würstchen und zwei Tassen schwarzen Kaffee, ehe ich richtig merkte, dass ich mit dem Essen begonnen hatte. Dann steckte ich mir die erste Zigarette des Tages an und ging hinaus, um auf den Mann zu warten.
    Ich ging auf die Hotelterrasse, auf der ich mir am ersten Abend einen Drink genehmigt hatte. Ich fand einen Tisch unter einem Schirm. Er war so nahe an der Promenade, dass ich einen guten Überblick hatte, doch niemand würde mich bemerken, wenn er nicht speziell nach mir Ausschau hielt. Der Kellner kam, und ich bestellte schwarzen Kaffee. Zum Trinken war es noch etwas zu früh, obgleich die übrigen Gäste darüber offenbar anderer Meinung waren. Ein Typ, der aussah, als würde er Damenunterwäsche vertreiben, und eine abgetakelte Brünette tranken Daiquiris um die Wette und schienen einen Mordsspaß dabei zu haben. Die fangen früh an, dachte ich. Oder vielleicht waren sie noch von der Nacht zuvor in Schwung. Ich achtete nicht mehr auf sie und sah auf die Promenade hinunter.
    Und hätte sie doch beinahe verpasst.
    Nach einem Tag in Atlantic City achtet man nicht mehr auf die Rollstühle, die über die Promenade geschoben werden. Sie gehören zum Stadtbild, und auf den Gedanken, dass jemand, den man kennt, in einem sitzen könnte, kommt man einfach nicht. Wie alle übersah ich die Rollstühle und konzentrierte mich auf die Fußgänger. Wäre mir nicht plötzlich ein blonder Schopf aufgefallen, hätte ich sie nicht bemerkt. Doch wegen des Blondschopfs sah ich ein zweites Mal hin. Sie waren es.
    Er war klein, fett und er war alt. Und er war durch und durch der ehrliche Staatsbürger aus Westchester. Jetzt verstand ich, wie er Mona hatte so täuschen können. Manche ehrlichen Leute sehen wie Gauner aus, und manche Gauner wie ehrliche Leute. Er gehörte zur zweiten Kategorie.
    Er hatte ein festes, ehrliches Kinn und einen ehrlichen Mund mit schmalen Lippen. Seine Augen waren wasserblau. Das konnte ich selbst von meinem Platz aus erkennen. Sein Haar war weiß. Nicht grau, sondern weiß. Weißes Haar hat etwas sehr Respekt einflößendes an sich.
    Ich blickte dem

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