Abzocker
herumzustöbern. Aber das war jetzt nicht wichtig. Wichtig war einzig und allein, dass die Katze zur Hälfte aus dem Sack war und dass ich sie jetzt besser ganz herausließ.
»Unterbrich mich jetzt nicht«, sagte ich. »Es ist eine lange Geschichte. Du wirst erst alles begreifen, wenn du sie ganz gehört hast.«
Ich fing damit an, wie ich mit dem Zug aus Philly in Atlantic City angekommen war und Gepäck brauchte. Die Geschichte hatte eigentlich noch früher angefangen, aber der Rest war nicht wichtig. Wenigstens im Moment noch nicht. Wenn alles klappte, lagen etliche gemeinsame Jahre vor uns, in denen ich ihr meine gesamte Lebensgeschichte erzählen konnte. Wenn nicht, dann war es ohnehin egal.
Ich erzählte ihr, dass ich mir sein Gepäck zufällig geschnappt hatte und dass ich im Hotel unter falschem Namen eingecheckt war. Ich erzählte, wie ich ihr begegnet war, wie ich dann die Koffer geöffnet und das Heroin gefunden hätte. Das wollte sie mir zuerst nicht glauben, aber ich sagte es ihr immer und immer wieder, bis sie es begreifen konnte. Ein Anflug von Panik zeigte sich in ihrem Gesicht, als sie die volle Bedeutung meines Funds erkannte. Sie sah den alten Keith jetzt in einem völlig anderen Licht. Er war ein Dealer, kein netter Bursche. Sie hatte zwei Jahre mit ihm zusammengelebt, ohne etwas von seinem kleinen Geheimnis zu ahnen. Ich glaube, wenn ich ihr gesagt hätte, er sei in Wirklichkeit eine Frau, wäre sie auch nicht überraschter gewesen.
Ich erzählte ihr alles von A bis Z. Dann hörte ich auf, weil es nichts mehr zu erzählen gab. Ihr Angetrauter war ein Verbrecher, und ich hatte seine Ware im Hotelsafe. Wir befanden uns zusammen in meinem Zimmer, und die Welt fuhr Achterbahn mit unserem Leben.
»Das verändert alles, Lennie. Joe, meine ich. Ich glaube, ich sollte dich jetzt Joe nennen, nicht?«
»Ich denke schon.«
»Joe Marlin und nicht Lennie Blake. In Ordnung. Gefällt mir sowieso besser. Aber das ändert alles, Joe, nicht wahr?«
»Wie?«
»Ich will sein Geld nicht mehr«, sagte sie. »Ich könnte es nicht ertragen, noch länger mit ihm zusammenzuleben. Jetzt will ich nur dich. Wir können ihn vergessen und einfach davonlaufen und für immer zusammen sein.«
Das klang gut, aber so einfach lagen die Dinge nicht. Sie hatte es immer noch nicht ganz begriffen. Für sie war er immer noch der alte Keith. Nur verdiente er jetzt sein Geld mit schmutzigen Geschäften, und das machte sie krank. Aber sie erkannte nicht, dass sie sich in dem Mann selbst getäuscht hatte.
»Sie würden uns umlegen, Mona.«
Sie starrte mich an.
»Wir können davonlaufen, aber sie kriegen uns bestimmt. Dein Mann ist ein Verbrecher, Mona. Weißt du, was ein Gangster ist?«
Ihre Augen wurden groß und rund.
»Du bist seine Frau«, fuhr ich fort. »Er hat dich gekauft. Er hat schwer für dich bezahlt. Hermelinmantel, Zobelmantel, Chinchillastola. Diese Dinge kosten viel Geld.«
»Aber …«
»Also gehörst du jetzt ihm. Du kannst nicht weglaufen. Er wird dich schnappen und dich umbringen lassen. Willst du, dass wir sterben, Mona?«
Ich sah den Blick in ihren Augen und erinnerte mich an den leicht verächtlichen Unterton in ihrer Stimme, als sie Brassards ärztliche Untersuchungen erwähnt hatte. Vielleicht, hatte sie gesagt, hat er Angst vor dem Sterben. Doch er war nicht der Einzige. Auch sie hatte Angst vor dem Tod. Womit wir schon drei wären.
»Wir können nicht davonlaufen«, sagte ich. »Wir können ihm nicht entwischen.«
»Aber die Welt ist groß.«
»Die Drogenmafia ist international, größer als die ganze Welt. Wohin willst du denn fliehen?«
Sie wusste keine Antwort.
»Nun?«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ein Unfall«, sagte sie. »Vorhin hast du gesagt, er könnte einen Unfall haben. Das hast du gesagt, oder nicht?«
»Ich hab es ein wenig anders ausgedrückt.«
»Aber das hast du gemeint. Er könnte doch immer noch einen Unfall haben, nicht?«
»Ich dachte, du wolltest nicht über solche schlimmen Dinge nachdenken.«
»Jetzt ist alles anders, Joe. Ich wusste nicht, was für ein Mensch er ist. Jetzt ist es anders.«
Nichts war anders. Vorher war er großzügig und nett gewesen, und jetzt war er gemein und bösartig. Es war die Verpackung, mit der sie sich leichter mit dem Gedanken an einen Mord abfinden konnte. Zuckerguss um eine bittere Pille. Aber die Pille war dieselbe, egal wie süß sie schmeckte. Die Pille war immer noch Mord.
»Joe?«
Ich fing an zu schwitzen. Atlantic City
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