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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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Koffer sahen, wenn ich das Hotel verließ, desto sicherer fühlte ich mich. Und wenn ich Brassard nicht noch einmal über den Weg lief, war ich glücklich.
    Mitten am Nachmittag rief ich bei der Rezeption an und bat, man möge mich um sechs Uhr früh am nächsten Morgen wecken. Wahrscheinlich war man dort ziemlich verblüfft, dass der Weckruf nicht erst abends in Auftrag gegeben wurde. Dann rief ich den Zimmerservice an und bestellte wieder eine Flasche Jack Daniels. Den Nachmittag und Abend verbrachte ich leicht benebelt vom Alkohol. Ich ließ mir Zeit mit dem Whiskey, ich hatte nichts Besseres vor, als die Flasche gemütlich zu leeren. Allerdings hatte ich keineswegs die Absicht, mich bis über beiden Ohren zuzudröhnen. Also ließ ich mir Zeit und achtete darauf, dass ich immer das richtige Quantum intus hatte. Als ich müde wurde, kippte ich noch ein paar Gläser hintereinander, damit ich schneller einschlafen konnte. Was ich dann auch sofort tat.
    Meine Augen waren im gleichen Augenblick offen, als das Telefon klingelte. Ich war sofort hellwach. Diesmal drehte ich zuerst die Salzwasserdusche auf und anschließend die eiskalte normale Dusche. Ich brauchte drei kleine Handtücher, bis ich trocken war.
    Ich zog mich an und ging hinunter. Diesmal stand ein anderer Mann hinter der Theke, aber er war ebenso eilfertig wie sein Kollege. Er machte nicht die geringsten Schwierigkeiten. Als er mir meinen Aktenkoffer reichte, bekam er dafür mein nettestes Lächeln. Den ganzen Weg durch die Halle zum Lift und die viel zu vielen Stockwerke hoch zu meinem Zimmer hatte ich das Gefühl, als starre mindestens die Hälfte der Englisch sprechenden Welt auf meinen Aktenkoffer.
    Ich versuchte sogar, ihn zu öffnen. Dann fiel mir ein, dass ich den Koffer verschlossen und den Schlüssel weggeworfen hatte. Es war wirklich zu blöd. Schließlich konnte ich keinen von Brassards Koffern zurücklassen. Wenn ich den Aktenkoffer aufkriegen würde, könnte ich das Heroin in einen der Koffer tun und den leeren Aktenkoffer verschwinden lassen. So musste ich nun drei Koffer tragen. Am Anfang meiner Reise war das kein Problem. Aber später, wenn ich Züge wechseln musste, könnte es schwierig werden.
    Ich packte meine Sachen und auch alle Sachen von Brassard in seine zwei Koffer. Da ich praktisch nichts dabei gehabt hatte, war das nicht besonders schwierig. Dann ging ich wieder in die Halle hinunter und ließ mir von einem Pagen die Koffer zum Taxi tragen, das wie immer neben dem Hotel auf Passagiere wartete. Ich selbst ging zur Rezeption.
    Der Empfangschef drückte seine Hoffnung aus, dass mir der Aufenthalt gefallen hatte.
    »Eine herrliche Stadt«, versicherte ich ihm, ohne bei der Lüge rot zu werden. »Die Erholung hatte ich wirklich nötig. Ich komme mir wie ein neuer Mensch vor.«
    Der letzte Satz stimmte sogar.
    »Geht’s jetzt wieder nach Hause?«
    »Zurück nach Philly«, sagte ich. Ich hatte bei meiner Ankunft als Wohnsitz eine gute Adresse in der Nähe des Rittenhouse Square angegeben.
    »Besuchen Sie uns wieder.«
    Ich nickte. Hoffentlich wartete er nicht auf mich, denn dabei konnte er alt werden. Viel würde ich nicht darauf wetten, dass ich noch einmal im Shelburne abstieg.
    Ich ging zum Seitenausgang hinaus. Das Taxi stand dort mit meinem Gepäck im Kofferraum. Ich gab dem Boy einen Dollar und hoffte, dass er schon wieder vergessen hatte, wie die Koffer aussahen.
    Auf dem Bahnhof kaufte ich mir eine Fahrkarte bis nach Philadelphia. Ich trug mein Gepäck selbst zum Zug. Einfach war es nicht, drei Gepäckstücke über den Bahnhof zu tragen, ohne dass es seltsam wirkte. Doch irgendwie schaffte ich es. Der Schaffner kam, nahm meine Fahrkarte und wies mich in ein Abteil nach Philadelphia. Ich lehnte mich zurück, und der Zug stampfte an Egg Harbor und Haddonfield vorbei. Dann waren wir schon in Philadelphia-Nord, und ich stieg aus. Ich und meine drei kleinen Koffer. Ich erinnerte mich an die Geschichte von Benjamin Franklin, wie er als junger Mann mit einem Laib Brot unter jedem Arm und einem dritten im Mund durch die Straßen von Philadelphia gerannt war. Ich konnte mir genau vorstellen, wie er ausgesehen hatte. Hoffentlich hatte sich Philly inzwischen schon an so einen Anblick gewöhnt.
    Ich wollte mich freuen, weil ich aus Atlantic City weggekommen war, aber ich brachte nicht den nötigen Enthusiasmus auf. Ich war ohne Probleme, ohne Schweißausbrüche, ohne Unvorhergesehenes abgereist. Wer würde sich schon an einen adretten

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