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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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Keith Brassard. Ich bekam ihn dadurch von vorn zu sehen, und das machte mir Sorgen. Seit jenem kurzen Zusammentreffen war viel Zeit vergangen, dennoch hatte ich ihn erkannt. Und er hatte allen Grund, sich an mich zu erinnern. Ich hatte ihm ein Mädchen weggeschnappt. Das Mädchen war eine Schlampe, und es hatte ihm damals wahrscheinlich nicht besonders viel ausgemacht. Aber sicherlich hatte er es nicht vergessen.
    Ich wartete darauf, dass er aufblickt und mich sah. Aber er und Brassard waren beschäftigt. Sie sprachen schnell und ernsthaft miteinander, und ich hätte einiges darum gegeben, wenn ich ihr Gespräch hätte hören können. Es war leicht zu erraten, worum es ging. Brassard hätte eine Ladung Heroin abliefern sollen, die ausreichte, um ganz New Jersey für eine ziemlich lange Zeit high zu kriegen. Aber der Stoff war auf wundersame Art und Weise verschwunden. Grund genug für ein ernsthaftes Gespräch, würde ich sagen.
    Ich schluckte die zweite Olive hinunter. Dann legte ich ausreichend Geld für den Martini, den Kaffee und den Kellner auf den Tisch und schob den Schein unter das leere Glas, damit der Wind ihn nicht wegblasen konnte.
    Gerade, als ich aufstehen wollte, hob sich der dunkle Kopf, und kleine Augen sahen mich an. Ein kurzer, verwirrter Blick – wahrscheinlich hatte ich ihn gestern Abend genauso angesehen. Ein vages, entferntes Erkennen lag in dem Blick. Er erinnerte sich an mich, wusste aber nicht, woher.
    Beim nächsten Mal würde es ihm einfallen. Ich hoffte, das Gespräch mit Brassard war so wichtig, dass er nicht weiter über mich nachdachte.
    Ich stand auf und bemühte mich, langsam zu gehen. Ich wandte den beiden den Rücken zu und schritt davon. Hoffentlich sahen sie mir nicht nach. Mein Hemd klebte schweißnass an meinem Rücken, als ich das Shelburne erreichte. Dabei war nicht einmal ein besonders warmer Tag.
     
    Es hatte keinen Sinn, länger hier zu bleiben. Ich hatte schon mehr bekommen, als ich erhofft hatte: einen Blick auf ihn und eine Andeutung, wer seine Kumpane waren. Soweit ich es mir zusammenreimen konnte, war Brassard mit einer Lieferung Heroin nach Atlantic City gekommen. Er war kein Botenjunge, es war sein Heroin, gekauft, bezahlt und bereit zum Wiederverkauf. Niemand würde ihm vorwerfen, er hätte den Stoff unterschlagen oder sonst wie beiseite geschafft. Seine einzige Sorge war der finanzielle Verlust.
    Wenn hier jemand schlecht aussah, dann war es Max Treger. Aus Brassards Sicht konnte ihn nur jemand bestohlen haben, der wusste, was er bei sich trug. Treger war unter Seinesgleichen dafür bekannt, dass man sich auf sein Wort verlassen konnte. Aber bei diesem Deal ging es um so viel Kohle, dass Brassard ihn zweifellos trotzdem verdächtigte. Hoffentlich machte er einen höllischen Aufstand deswegen, sodass jemand ihm aus lauter Wut ein paar Löcher in den Kopf schoss. Das würde mir eine Menge Arbeit ersparen.
    Aber dazu würde es wahrscheinlich nicht kommen. In ein paar Tagen würde Brassard Treger davon überzeugt haben, dass er mit Heroin nicht Verstecken spielte. Treger wiederum würde Brassard überzeugt haben, dass er viel einträglichere Geschäfte kontrollierte und es nicht nötig hatte, vergleichsweise kleine Diebstähle durchführen zu lassen. Dann würden die beiden Clowns ihre kriminellen Köpfe zusammenstecken und daraufkommen, dass ein Unbekannter im Spiel war. Und dann würden sie anfangen, diesen Unbekannten zu suchen, und spätestens dann würde es für mich sehr ungemütlich werden.
    Ich wollte abhauen, aber es war zu früh. Am meisten Probleme bereitete mir das verdammte Gepäck. Die Koffer waren ganz normale Koffer, aber man würde sie erkennen, ganz besonders dann, wenn nach ihnen gesucht wurde. Es war mir völlig egal, ob jemand sich in einer Woche an die Koffer erinnerte. Dann saß ich schon sicher in New York und hatte meine Spuren so gut wie möglich verwischt. Aber ich musste auf alle Fälle vermeiden, dass jemand die Koffer erkannte, so lange ich mich noch in Atlantic City befand.
    Ich rief von meinem Zimmer aus beim Bahnhof an und erfuhr, dass jeden Morgen um sieben Uhr dreißig ein Zug nach Philly ging. Am Nachmittag fuhr auch noch einer, aber der Morgenzug war viel sicherer. Morgens um halb acht schlafen alle noch, so wie es sich gehört. Niemand würde Verdacht schöpfen, wenn ich um diese Zeit aus dem Hotel auscheckte, was eher der Fall wäre, wenn ich, sagen wir, um vier Uhr früh einen Zug erwischen wollte. Je weniger Leute meine

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