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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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Uhr nachmittags beschloss ich, Brassards Büro anzurufen und festzustellen, ob er da war. Ich suchte in meiner Brieftasche nach seiner Nummer und erinnerte mich nicht, ob ich sie überhaupt notiert hatte. Aber ich hatte sie nicht notiert, dafür fand ich vier andere Nummern, die ich ein paar Minuten lang anstarrte. Dann fiel mir ein, dass ich sie von einem Zettel in Brassards Büro kopiert hatte.
    Ich rief sie der Reihe nach aus einer Telefonzelle an.
    Bei den ersten beiden meldete sich niemand. Die dritte war eine Bar an der East Side irgendwo zwischen der Sechzigsten und Siebzigsten Straße. Die vierte war ein griechischer Nachtclub in Chelsea. In beiden Fällen legte ich auf.
    Wahrscheinlich waren die Nummern Briefkästen, Kontakte für Brassards Heroingeschäft. Das brachte mich nicht viel weiter. Es bestätigte mir nur, dass Brassard in der Branche tätig war, doch das wusste ich ohnehin schon. Ich wollte das Papier schon zerreißen, überlegte es mir dann aber anders und schob es wieder in die Brieftasche.
    Seine Nummer fand ich in einem Telefonbuch. Ich wählte WOrth 4-6363 und ließ es endlos klingeln. Dann legte ich auf und ging wieder auf mein Zimmer. Mit meinem Taschenmesser bearbeitete ich das Schloss des Aktenkoffers. In weniger als einer Minute hatte ich es geöffnet.
    Die Kassette war noch da.
    Ich sah sie mir an, zitterte ein wenig dabei, legte sie zurück in den Koffer und verschloss ihn wieder. Das Taschenmesser steckte ich wieder ein und schnappte mir den Koffer.
    Mir zitterten die Knie, als ich all das Heroin in der U-Bahn bei mir trug. Aber ich schaffte es.
    Ich stieg im fünften Stock aus dem Lift, ganz der aufstrebende, junge Geschäftsmann. Mein Anzug war frisch aus der Reinigung, meine Krawatte saß gerade, und den Aktenkoffer hielt ich, als würde ich nie etwas anderes mit mir herumtragen. Die Tür drüben bei der Zenith Jobagentur stand offen, aber niemand beobachtete mich.
    Ich verschaffte mir Eintritt in Brassards Büro, schloss die Tür hinter mir und sah mich um. Das Büro war unverändert. Ich überprüfte alles sorgfältig. Das Einzige, was fehlte, war der Zettel mit den vier Telefonnummern. Ich dachte eine Weile darüber nach und beschloss, die Sache perfekt zu machen. Ich fand einen Bleistift in einer Schublade, holte den Zettel aus meiner Brieftasche und kopierte die Nummern auf seinen Notizblock. Dabei bemühte ich mich, seine Handschrift so gut wie möglich nachzuahmen.
    Dann öffnete ich den Koffer wieder. Ich nahm die kleine Kassette mit Heroin liebevoll heraus und stellte sie auf den Schreibtisch. Dann zog ich eine Schublade auf und holte vier unbeschriebene weiße Umschläge hervor. In jeden schüttete ich so viel Heroin, bis er zu einem Drittel voll war. Ich klebte sie zu, legte drei in die Schublade in der Mitte des Schreibtisches und klemmte einen zwischen den Tintenabroller und die lederne Schreibgarnitur, in der der Tintenroller untergebracht war. Ich ließ eine Ecke des Umschlags herausschauen. Dann öffnete ich eine der unteren Schubladen, stellte die Kassette mit dem Heroin hinein und schob sie nach hinten.
    Auf diese Weise, so überlegte ich, mussten sie eine Weile suchen, doch sie konnten es unmöglich nicht finden. Es war eine Art Schnitzeljagd für kleine Kinder. Der erste Umschlag lag direkt vor ihren Augen. Kein Detective konnte ihn übersehen. Die anderen drei waren in der mittleren Schublade, der ersten, in der sie nachsehen würden. Dann würden sie natürlich das Büro von oben nach unten umstülpen, die Kassette finden, und das Spiel war vorbei.
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
    Ich merkte, dass ich grün im Gesicht wurde. Ich zuckte von dem Schreibtisch zurück, als wäre er elektrisch geladen. Ich presste mich aus keinem vernünftigen Grund flach an die Wand und zählte mit, wie oft es klingelte.
    Es klingelte zwölf Mal.
    Jemand versuchte ihn zu erreichen; jemand, der ziemlich sicher war, dass er da war. Es sei denn, jemand hatte sich verwählt. Diese Möglichkeit gab es immer. Es konnte eine falsche Nummer sein.
    Dann fing es wieder zu klingeln an.
    Kurz zuckte mir die Vorstellung durch den Kopf – was wäre, wenn Brassard jetzt ins Büro kam und das Heroin entdeckte? Meine Knie fingen wieder an zu zittern. Die Umschläge waren ein netter Einfall, aber ich konnte es nicht riskieren. Ich nahm den einen vom Schreibtisch und holte die drei anderen aus der Schublade. Ich stopfte sie mir in die Taschen und betete, dass er nicht in die unterste

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