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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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dass er sie nicht ein zweites Mal aufgeschrieben hatte. Wahrscheinlich war er argwöhnisch geworden, und das war gut so.
    Vielleicht geriet er in Panik. Vielleicht rief er ein paar Leute an und sagte ihnen, dass ihm komische Dinge passiert waren. Auch das war in Ordnung. Umso plausibler würde alles andere erscheinen.
    Denn ganz gleich, was geschah: Er würde heute Abend nicht mehr in sein Büro zurückkehren. Er würde nach Hause fahren zu Mona. Und diese vier kleinen Telefonnummern würden am nächsten Tag wieder da sein.
    Ich musste dafür sorgen, dass er nicht mehr da war.

8
    Nach dem Abendessen packte ich meinen Koffer und checkte aus dem Collingwood aus. Ich fand ein Schließfach im Grand Central und schob den Koffer hinein. Der geladene Revolver blieb in meiner Jackentasche. Er beulte die Jacke lächerlich aus und rutschte beim Gehen immer wieder auf und ab. In der Toilette des Zuges nach Scarsdale steckte ich die Waffe deshalb in meinen Hosenbund. Nun kam ich mir gleich viel professioneller vor, doch ganz geheuer war es mir nicht. Ich hatte Angst, das Ding könnte plötzlich losgehen, und dann würde ich Mona nicht mehr sehr viel nützen. Ich versuchte, an angenehmere Dinge zu denken.
    Als wir Scarsdale erreichten, fing ich innerlich an zu zittern. Ich musste noch so viel Zeit totschlagen, und ich wusste nicht wie. Vielleicht war mein Plan doch nicht so gut. Ich hätte die Nacht auch noch im Collingwood bleiben und dann mit einem Frühzug herausfahren können. An Schlaf war nicht zu denken, aber ich hätte mich dort noch eine Nacht ausruhen können. Doch es hätte einfach zu viel schiefgehen können. Ich musste mir noch einen Wagen besorgen. Wäre ich morgens gefahren, hätte ich deshalb in Westchester eintreffen müssen, solange es noch dunkel war. Und es war viel sicherer, wenn ich mit einem vollen Zug ankam, weshalb ich auf keinen Fall einen Zug um vier Uhr früh hätte nehmen können. Mein Plan war perfekt durchdacht, trotzdem fühlte ich mich nicht wohl dabei.
    Einen Block vom Bahnhof entfernt entdeckte ich ein Kino, zahlte meinen halben Dollar und ging hinein, um mich hypnotisieren zu lassen. Ich setzte mich in eine der hinteren Reihe und versuchte, mich an das Gefühl des Revolvers in der Hose zu gewöhnen. Das Metall war jetzt nicht mehr kalt. Es hatte meine Körpertemperatur angenommen, und ich trug die Waffe jetzt schon so lange bei mir, dass sie mir wie ein Teil von mir selbst erschien. Ich starrte auf die Leinwand und ließ die Zeit verstreichen.
    Ich schaute mir den Film mindestens zweimal an, was mir problemlos gelang. Auf die Geschichte konnte ich mich eh nicht konzentrieren, mit den Gedanken war ich ganz woanders. Selbst beim zweiten Mal ging die Handlung des Films völlig an mir vorbei. Für mich war der Film ein durch und durch anonymer und ziemlich harmloser Zeitvertreib. Nach Mitternacht war die letzte Vorstellung zu Ende, und ich folgte der Menschenmenge auf die leeren Straßen von Scarsdale.
    Jetzt begann es einfacher zu werden. Das Kino hatte mich in die Maschine verwandelt, die ich sein musste. Gänge wurden eingelegt, Knöpfe gedrückt und Schalter umgelegt. Ich fand eine Bar. Bars haben immer länger offen als Kinos, vielleicht weil das Auge weniger verträgt als die Leber. Ich setzte mich abseits auf einen Hocker am Ende der Bar und trank ein Bier ums andere, bis auch dieses Lokal schloss. Niemand redete mit mir. Ich war allein, und hier verkehrten Leute, die jede Nacht in dieser Bar zusammen saßen. Das hätte mir gefährlich werden können. Allerdings war ich überzeugt, dass sie sich nicht an mich erinnern würden, denn sie hatten überhaupt keine Notiz von mir genommen.
    Die Bar schloss gegen vier, was mir recht war. In einem Imbiss, der die ganze Nacht offen hatte, aß ich einen Hamburger, den ich mit ein paar Tassen Kaffee hinunterspülte. Es war fast auf die Minute genau vier Uhr dreißig, als ich die Imbissstube verließ. Das war etwa die richtige Zeit.
    Das Wetter war mild, am Horizont zog die Morgendämmerung herauf. Die Luft war frisch und sauber, ganz anders als die abgestandene New Yorker Luft. Nur der Hauch von schlechten Gerüchen erinnerte einen daran, dass man sich in einem Vorort und nicht auf dem Land befand. Der Himmel wurde heller, in höchstens einer Stunde würde die Sonne aufgehen. Es waren keine Wolken zu sehen. Ein wirklich prächtiger Tag lag vor uns.
    Ich bog von der Hauptstraße in eine Seitenstraße ein, von dieser wandte ich mich in eine zweite

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