Abzocker
Seitenstraße. Es war nicht gerade eine schlechte Gegend. Nicht das reiche Scarsdale, sondern das mittelständische Scarsdale – ganz gewöhnliche Einfamilienhäuser, die nur deshalb um die fünfundzwanzigtausend kosteten, weil sie in Scarsdale lagen. Bäume davor, Hecken, so wie Angestellte und Büroarbeiter eben wohnen. Ich musste ziemlich lange in der Gegend herumspazieren, weil die meisten Leute ihre Autos in der Garage hatten. Dann fand ich, was ich suchte.
Auf der linken Straßenseite parkte ein grüner Mercury direkt am Gehweg. Auf der rechten Seite stand ein schwarzer Ford, der vielleicht ein Jahr alt war. Ich hatte es auf den Ford abgesehen, und zwar aus dem Grund, warum ihn sich auch der professionelle Killer, der ich ja vorgab zu sein, ausgewählt hätte. Es war ein ganz gewöhnliches, unauffälliges Auto. Wenn man einen Wagen stiehlt, um einen Mord zu begehen, dann immer einen schwarzen Ford. Das ist eine der Spielregeln.
Es gab nur ein Problem. Der Besitzer des Fords konnte zu früh aufwachen. Wahrscheinlich fuhr er jeden Morgen mit dem Wagen nach New York und stand so gegen sieben auf. Wenn er dann den Bullen meldete, dass sein Wagen nicht mehr da war, ging die Suche nach dem Ford zu früh für meine Zwecke los.
Das brachte den Mercury ins Spiel.
Ich arbeitete schnell, schraubte die Kennzeichen von dem Mercury ab, trug sie zu dem Ford hinüber, schraubte dessen Kennzeichen ab und befestigte an ihrer Stelle die des Mercury. Dann ging ich zurück über die Straße und brachte die Ford-Kennzeichen am Mercury an. Das klingt kompliziert – dabei tauschte ich natürlich nur die Kennzeichen der beiden Wagen aus. Doch das würde für einige Verwirrung sorgen, die mir Zeit einbrachte. Der Besitzer des Fords würde zwar seinen Wagen als gestohlen melden, doch der Mercury-Besitzer würde nicht melden, dass man ihm die Kennzeichen gestohlen hatte. Die Chancen standen gut, dass er den Diebstahl ziemlich lange überhaupt nicht bemerken würde. Wie oft schaut man schon auf seine Kennzeichen, wenn man in sein Auto steigt?
Selbst wenn also irgendein neunmalkluger Bulle mich in dem gestohlenen Ford anhielt, hatte der Wagen das falsche Kennzeichen. Das konnte mir einen Vorteil bringen, vielleicht aber auch nicht. Aber ich riskierte ohnehin schon sehr viel. Deshalb musste ich jede Chance nutzen, die sich mir bot, um das Risiko, geschnappt zu werden, zu verringern.
Ich wischte beide Kennzeichen mit dem Taschentuch ab und zog dann ein Paar gewöhnliche Gummihandschuhe an, von der Art, wie sie in jedem Haushaltswarengeschäft verkauft werden. Ich hatte sie mir besorgt, ehe ich New York verließ, und jetzt kamen sie mir sehr gelegen. Es waren gute Handschuhe. Ein Chirurg hätte damit nicht operieren können, aber sie waren so dünn, dass ich noch ein Gefühl in den Händen hatte. Ich sah mich sorgfältig um, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und öffnete die Tür des Fords. Ich nahm hinter dem Steuer Platz und schloss die Zündung kurz. Das war nicht schwierig. Das ist es nie. Als 14-Jähriger hatte ich gelernt, wie man einen Wagen ohne Schlüssel anlässt. Solche Dinge vergisst man nicht.
Der Motor schnurrte wie ein Kätzchen. Ich rollte langsam zur nächsten Kreuzung. Dann bog ich zweimal um die Ecke, dann noch einmal nach rechts, und dann war ich auf der Hauptstraße Richtung Norden, auf dem Weg nach Cheshire Point. Ich verließ Scarsdale ohne besonderes Bedauern. Ein netter Ort für einen Autodiebstahl, aber wohnen möchte ich dort nicht.
Der Ford war für einen Mord ideal geeignet, aber auf dem Highway taugte er überhaupt nichts. Immer wieder ertönte ein leises Klopfen unter der Kühlerhaube, und der Motor reagierte mit einigen Sekunden Verzögerung, wenn ich aufs Gaspedal drückte. Der Wagen bewegte sich wie ein behindertes Kind. Außerdem hatte er ein automatisches Getriebe, weshalb ich nicht zum richtigen Zeitpunkt schalten konnte, und Servolenkung – eine Erfindung, die jeden Menschen verrückt macht.
Ich ließ den Ford dahinzockeln und dachte über den Wagen nach, den Mona und ich eines Tages kaufen würden, wenn alles vorbei war. Einen Jaguar vielleicht. Eine große, chromverkleidete Bestie mit einem Kraftwerk unter der Haube, bei der die Newton’sche Mechanik intelligent und ganzheitlich für die Autokonstruktion benutzt worden war. Ich fragte mich, ob Mona schon einmal auf dem Rücksitz eines Jaguars geliebt worden war? Ich konnte es mir nicht vorstellen.
Cheshire Point ließ Scarsdale wie
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