Acacia 01 - Macht und Verrat
wenn er mit leeren Händen zurückkehrte. Unternehmt etwas, dachte er. Verdammt noch mal, unternehmt doch endlich was, ihr Tölpel! Ich habe euch nicht den ganzen weiten Weg gehetzt, nur um -
Nineas, der alte Steuermann, blickte zu ihm hinauf. Der erfahrene Seemann wusste dafür zu sorgen, dass seine Stimme gehört wurde, ungeachtet der Umstände. »Sie haben gewendet und kommen auf uns zu! Sprotte! Soll ich Kurs halten?«
Der junge Kapitän brüllte zurück, natürlich sollten sie Kurs halten. Selbstverständlich! Ihre Beute war ein Fahrzeug der Gilde, keines der großen Hochseeschiffe, aber dennoch ein enorm wertvoller Fang. Es handelte sich um eine der Briggs, mit denen ranghohe Gildenmitglieder von der Küste zu den Basisplattformen transportiert wurden, einer schwimmenden Stadt, die etwa hundert Meilen westlich der Außeninseln am Meeresboden verankert war. Normalerweise wurden die Zweimaster von mehreren Kriegsschiffen begleitet, bemannt mit Soldaten vom Ishtat-Inspektorat, der Privatflotte der Gilde. Wären Gildenvertreter an Bord gewesen, so hätte es wahrscheinlich Reichtümer geladen gehabt, die ein Inselseeräuber wie Sprotte sich nicht einmal im Traum vorstellen konnte. Allerdings wäre es ohne eine ganze Flotte unmöglich gewesen, an das Gildenschiff heranzukommen. Noch niemand hatte dergleichen jemals auch nur versucht. Dieses Schiff jedoch war nach den Maßstäben der Gilde leer, hatte keine ranghohen Gildenvertreter an Bord und transportierte nicht genug Handelsgüter, um das Ishtat einzusetzen.
Einer von Dovians Spionen, ein Meister der Verstellung, dem es gelungen war, sich bei den Hafenarbeitern des Küstenstützpunkts einzuschleichen, hatte geschworen, dass dies höchstwahrscheinlich das einzige verwundbare Schiff war, das sie für den Rest des Jahres zu Gesicht bekommen würden. Die Botschaft war erst am Abend vor dem Auslaufen des Zweimasters eingetroffen, doch Dovian war sich sicher gewesen, dass sie sie würden nutzen können. Mit seinem Segen war Sprotte am nächsten Morgen in See gestochen. Die Ballan war ein schlanker, für hohe Geschwindigkeiten konstruierter Klipper, leicht gebaut, mit nur einem Großmast. Sie war alles andere als ein Kriegsschiff. Deshalb hatte der Zweimaster sie am ersten Tag der Verfolgung auch nicht weiter beachtet. Vielleicht hatte die Besatzung die seltsame Vorrichtung am Bug bemerkt, in einem schrägen Winkel an einem mächtigen Scharnier befestigte eisenverstärkte Planken. An der Spitze der Vorrichtung befand sich ein großer, mit Widerhaken versehener Metallhaken von etwa sieben Fuß Länge, armdick und am Ende zugespitzt. Die Vorrichtung hatte Ähnlichkeit mit einem Fallreep, wie sie in den geschäftigen Häfen des Innenmeers aufs Pier hinabgelassen wurden, wenn ein Schiff über den Bug entladen wurde. In manchen dieser Häfen lagen die Schiffe dicht an dicht. Diese Vorrichtung jedoch diente einem weit weniger friedlichen Zweck, wie Sprotte zu beweisen hoffte. Schließlich hatte er sie selbst ersonnen. Er nannte sie gern seinen »Nagel«.
Sie waren dem Zweimaster durch die Untiefen und entlang der Inselkette gefolgt, die die günstigste Route zu den Außeninseln kennzeichnete. Andere Schiffe waren nicht aufgetaucht, und Sprotte legte auch keinen Wert darauf, dass sein Überfall beobachtet wurde. Er ließ sich Zeit, legte mehrmals in kleinen Häfen an, als wolle er Handel treiben, und nutzte die überlegene Geschwindigkeit der Ballan , um den Zeitverlust wieder aufzuholen. Der Zweimaster war leicht auszumachen, denn seine Seiten waren leuchtend weiß gestrichen, ein strahlender, unnatürlicher Anblick.
Am dritten Tag hatte die Brigg Verdacht geschöpft. Sie machte mehr Fahrt, setzte sämtliche Segel, doch erst am Morgen des vierten Tages jagte die Ballan das andere Schiff an den Rand der Riffe vor einem der kleinen Atolle am Nordrand der Außeninseln. Der Horizont rings um sie herum war leer, und Sprotte ließ die Besatzung wissen, dass sie heute Ernst machen würden. Entweder brachten sie die Schätze an Bord des Schiffes heute in ihren Besitz oder überhaupt nicht. Sie verfolgten das Schiff mit dem Wind von achtern. Sie waren schneller, doch es war nicht leicht, das Schiff in die richtige Position zu bringen, um den Nagel einzusetzen. Als die Brigg jedoch vor dem Riff wendete, geriet sie unmittelbar vor den Bug der Ballan . Der Kapitän des anderen Schiffes kannte das Riff anscheinend besser, als Sprotte gedacht hatte, doch das war einerlei. Endlich
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