Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
Vom Netzwerk:
andere zu berichten, unvorstellbare Dinge, die sie damals nicht glaubte, jetzt jedoch nicht mehr leugnen konnte.
    Die Prinzessin verließ die Hütte als ein anderer Mensch. Sie hatte den letzten Rest von Unschuld verloren, jeden Gedanken daran, dass sie jemals wieder Trost in hoffnungsvollem, naivem Glauben finden könnte. Nie wieder würde sie sich überrumpeln lassen, schwor sie sich. Sie würde niemals vertrauen. Niemals lieben. Niemals wieder an andere Menschen glauben. Sie würde so viel wie möglich über die Gestalt und das Wesen der Welt lernen und eine Möglichkeit finden, darin zu überleben.
    Sechs Wochen nach der Entführung übergab Larken Corinn Hanish Mein. Damit erkaufte er sich eine bevorzugte Stellung im Reich des neuen Anführers. Für Corinn begann eine seltsame Leidenszeit, die jetzt, neun Jahre später, noch immer fortdauerte.
    Auf dem Rückweg zum Palast sprach sie kein Wort. Sie kamen an einem der Hintertore an. Blonde Wächter riefen ihnen scherzhafte Bemerkungen zu und taten so, als müssten sie ein Losungswort angeben, um eingelassen zu werden. Corinn hatte keine Geduld für dieses Spiel. Ebenso wenig war sie erfreut, hinter dem aufschwenkenden Tor einen Boten vorzufinden, der auf sie wartete. Hanish Mein wünsche sie am Nachmittag zu sehen, zu einer bestimmten Stunde. Sie unterdrückte ein Stöhnen und hätte beinahe erwidert, sie sei krank und könne ihn nicht treffen. Doch sie fühlte die bewundernden, neidischen und neugierigen Blicke der anderen Frauen. Da sie sich nicht sicher war, wie sie reagieren wollte, nahm sie die Nachricht schweigend und nach außen hin ratlos entgegen.
    Als sie vor seinen Gemächern stand – jene, die früher ihr Vater bewohnt hatte -, merkte sie, dass es sie Mühe kostete, nicht zu erröten, ihr pochendes Herz zu bändigen und eine versteinerte Miene aufzusetzen. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie er sie bei ihrer ersten Begegnung ausgelacht hatte. Sie hatte Igguldans Namen genannt und Hanish versichert, dieser werde nicht dulden, dass man sie gefangen halte. Hanish hatte lachend erwidert: »Igguldan? Der aushenische Welpe? An den denkt Ihr jetzt? Zugegeben, ich habe gehört, er war ein recht stattlicher Bursche, ein Dichter, wie es heißt. Vielleicht würdet Ihr anders über ihn denken, wenn Ihr wüsstet, dass er seine Armee in die größte Niederlage geführt hat, die sein Land je erlitten hat. Es ist wahr. Sie sind alle umgekommen … auf ziemlich grässliche Weise. Seinen Namen, verehrte Prinzessin, wird man fortan nur noch als Wort der Schande aussprechen. Aber wenn es Euch hilft, dürft Ihr ihn gern so in Erinnerung behalten, wie Ihr es wünscht. Darauf versteht ihr Acacier euch.«
    Corinn hatte noch nie einen Menschen so gehasst, wie sie in diesem Moment Hanish hasste. Er war ihr wie der Inbegriff gefühlloser Hochmütigkeit erschienen, grausam, abstoßend und unbelehrbar. Er ärgerte sie maßlos, dass sie sich so viel Mühe geben musste, dies nicht zu vergessen. Zu oft, das wusste sie, warf sie verstohlene Blicke auf ihn, mit einem ganz anderen Gefühl, als sie es wünschte.
    »Corinn?«, drang Hanishs Stimme an ihr Ohr. »Prinzessin, ich höre Euch atmen. Kommt herein und lasst uns einen Moment reden. Ich habe etwas erfahren, das Euch interessieren dürfte.«
    Ein weiteres Ärgernis! Hanish schien unnatürlich scharfe Sinne zu besitzen. Sie trat über die Schwelle. Hanish lehnte am Schreibtisch ihres Vaters, in der einen Hand einige aufgefächerte Schriftstücke. Mit der anderen Hand zupfte er an einem seiner Zöpfe, an dem, der die Anzahl der Männer zeigte, die er beim so genannten Maseret-Tanz getötet hatte, der den Mein so viel bedeutete. Er blickte zu ihr auf und grinste, und sie registrierte voller Abscheu, wie die Schönheit seiner Augen dabei funkelnd zum Leben erwachte. Was für Augen er hatte! Unwiderstehlich zogen sie ihren Blick an. Es war, als leuchtete er von innen heraus, als wäre sein Gesicht eine Laterne in menschlicher Gestalt und seine Augen die Auslässe für das graue Leuchten in ihm. Frieden lag darin. Es war, als betrachte sie das türkisblaue Wasser des weißen Sandstrands bei Aos. Manche Dinge waren einfach dazu da, betrachtet zu werden. Hanishs Augen – eigentlich sein ganzes Gesicht – gehörten dazu. Es kostete Corinn große Mühe, die Maske kühlen Missfallens aufzusetzen, die sie ihm gegenüber stets trug.
    »Die Sonne tut Euch gut, Corinn«, bemerkte Hanish. Wie meistens, wenn er sich mit ihr unterhielt,

Weitere Kostenlose Bücher