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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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einfache Schließe und verharrte voller Ehrfurcht, während er den trockenen Geruch der Pergamentblätter einatmete. »Ich werde keinen Fehler machen«, sagte er. »Ich danke dir. Das Plateau im Sommer … ich habe mich danach gesehnt, es wiederzusehen.«
    »Du wirst es wiedersehen«, meinte Hanish lächelnd. Er freute sich aufrichtig für den Älteren. »Vielleicht findest du sogar Zeit für die Jagd. Die Rentiere müssten jetzt fett und träge sein, denn du warst lange fort. Mach deine Arbeit gut, auf dass sie dich erquicken möge.« Er hätte gern noch mehr gesagt, doch er spürte, wie Maeanders Blick an ihm zerrte. Er wandte sich um und sah seinem Bruder in die Augen.
    Maeanders Pupillen wurden groß, als habe sich das Licht im Raum verändert, dann zogen sie sich wieder zusammen. »Ich möchte mich nicht mit dir streiten, Bruder. Wenn die Akaran leben, werde ich sie finden und an den Haaren hierherschleifen. Ich verlasse mich darauf, dass du mir die Ehre gewährst, ihnen eigenhändig die Kehle durchzuschneiden.«

34

    Der Mann, der den Prinzen begleiten sollte, fand ihn vor Tagesanbruch vor seinem Zelt. Wortlos packte Aliver seine spärliche Ausrüstung in einen Sack aus Ziegenfell und hängte ihn sich über den Rücken. Er zog an dem Lederriemen, bis die Last bequem saß. Sein einziges Kleidungsstück war der kurze, gewebte Rock des Jägers. Diese Unternehmung würde eine Art Jagd sein, und er war entsprechend gekleidet, genau wie vor ein paar Wochen, als er sich auf die Suche nach dem Laryx gemacht hatte. An jenem Morgen hatte er gedacht, dass er noch nie eine gefährlichere und wichtigere Aufgabe auf sich genommen habe. Jetzt war es fast vergessen.
    »Bist du bereit?«, fragte Kelis. Aliver hatte lange geglaubt, dass sein scharf geschnittenes Gesicht einen beständigen Tadel ausdrückte, doch in letzter Zeit war er sich nicht mehr so sicher, ob die Miene des Mannes etwas über seine Gedanken verriet.
    »Gewiss«, antwortete Aliver.
    Kelis nickte und setzte sich in Bewegung, Aliver schloss sich ihm an. Aus dem Gehen fielen sie in einen lockeren Trab, dann gingen sie in jenen leichtfüßigen Laufschritt über, für den die Talayen berühmt waren. Sie ließen die letzten dunklen Hütten hinter sich und erklommen einen Hang, von dem aus sie das wogende, von einzelnen Bäumen durchsetzte Weideland hätten sehen können, das von der Trockenzeit golden gedörrt war. Doch es war noch zu dunkel. Sie mussten über hundert Meilen zurücklegen, nur um in das Gebiet zu gelangen, wo die Jagd beginnen konnte. Die ganze Länge dieses Tages und noch weiterer danach erstreckte sich als eine Zeit unaufhörlicher Bewegung vor Aliver. Doch zu solchen Leistungen war er erzogen worden.
    Jeder Atemzug kräftigte ihn. Er fühlte, wie seine Füße auf den Erdboden unter ihm schlugen, und wusste, dass dieses Leben, dieser Ort ihm zusagten.
    Wie anders war es gewesen, als er in Talay eingetroffen war. Die Flucht aus Kidnaban war hart gewesen, doch wenigstens hatte er sein Ziel erreicht. Sein Beschützer hatte ihn bis zum Hof von Sangae Umae geschleppt. Was war ihm damals durch den Kopf gegangen? Er konnte sich kaum mehr erinnern. Er war zornig und verängstigt gewesen – so viel wusste er noch. Vor allem jedoch erinnerte er sich an unbedeutende Einzelheiten, wie zum Beispiel die sandfarbene Schlange, die er an seinem ersten Morgen im Dorf in seinem Stiefel entdeckt hatte. Damals hatte er noch Stiefel getragen. Man hatte ihm gesagt, die Schlange sei giftig, ihr Biss tödlich. Das war einer der Gründe, weshalb die Talayen keine Schuhe trugen. Daran dachte er jetzt, grübelte über die Tatsache nach, dass er ebenfalls keine Schuhe mehr trug, seit Jahren nicht mehr, und sich kaum vorstellen konnte, es wieder zu tun.
    Er erinnerte sich noch, welche Mühe er gehabt hatte, über dem Loch, in das die Dorfbewohner ihre Notdurft verrichten, das Gleichgewicht zu halten. So etwas Simples, seine Eingeweide zu entleeren, doch es war ihm zuwider gewesen, es hatte ihn angewidert, dass er sich mit dem Laub und den Steinen, die hier jedermann benutzte, zunächst nicht richtig abwischen konnte. Er erinnerte sich, den Dorfjungen bei einem Spiel zugeschaut zu haben, das er nicht verstand. Dabei ging es darum, sich abwechselnd mit einem Stock zu schlagen. Sie schlugen hart zu, ihre Körper zuckten in offenkundigem Schmerz unter den Hieben. Dennoch lachten sie, neckten sich gegenseitig, bleckten grinsend ihre weißen Zähne und konnten anscheinend nicht

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