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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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gar nicht stattgefunden hatten. Im Schlaf hielt er Zwiesprache mit Tieren und erinnerte sich beim Aufwachen bisweilen noch an deren Sprache, jedenfalls eine Zeitlang. Der Junge wollte unbedingt mehr über seine Gabe herausfinden. Man hätte meinen sollen, der Vater wäre stolz auf seinen Sohn gewesen. Doch das war er nicht. Wenn der Vater schlief, war er wie tot; nur im Wachleben fand er Erfüllung; nur im Krieg waren ihm alle Dinge klar.
    Und so verbot er seinem Sohn zu träumen. Dabei strafte er ihn mit aller Verachtung, die er aufbringen konnte. Er verbot es ihm mit spöttischen, verletzenden Bemerkungen. Wenn sein Sohn schlief, stand er an dessen Bett. Jedes Mal, wenn er sah, wie sich die Augäpfel des Jungen bewegten, das Zeichen, dass er in die Traumwelt eingetreten war, versetzte er ihm einen Stoß mit dem Speerschaft. Er weckte ihn schmerzhaft, und das immer wieder. Bisweilen träumte der Junge trotzdem, sogar am helllichten Tag, wenn er wach war. Nach einer Weile sah es ihm sein Vater an, wenn er träumte, und ohrfeigte ihn, wenn er argwöhnte, dass die Gedanken des Jungen sich selbstständig machten. Doch dies alles nutzte nichts. Er war nun einmal, was er war. Doch sein Vater ließ sich etwas einfallen.«
    Kelis hielt inne und horchte auf das Geräusch krallenbewehrter Füße. Sie beide lauschten, bis das Schnarren einer Schwarzrückengrille einsetzte. Wahrscheinlich stammte das Geräusch von einer Eidechse. Kein Grund zur Beunruhigung.
    »Sein Vater ließ sich etwas einfallen …«, wiederholte Aliver.
    »Er adoptierte den Sohn eines Toten«, fuhr Kelis fort, »und zog ihn seinem leiblichen Sohn vor. Er bezeichnete ihn als seinen Erstgeborenen, was bedeutete, dass sein gesamter Besitz – sein Name, seine Ahnen, seine Besitztümer – auf ihn übergehen würde. Wenn der Träumersohn ein Leben in Wohlstand führen wollte, blieb ihm nur eine Möglichkeit. Er rief den Adoptivsohn in den Kreis und tötete ihn. Er bohrte ihm den Speer in die Brust und sah zu, wie sein neuer Bruder starb. Anstatt zornig zu sein, freute sich sein Vater. Genau das hatte er erwartet. Sein wahrer Erstgeborener trug einen Krieger in sich, ob es ihm nun gefiel oder nicht. Der Vater hatte seinen Willen durchgesetzt. Von da an verabscheute sein Sohn den Schlaf mit ganzem Herzen. Denn er träumte noch immer, jedoch stets den gleichen Traum. Er träumte von dem Kampf, davon, wie der Speer eindrang, vom Blut, vom Ausdruck im Gesicht des Sterbenden. Und so war der Träumer vernichtet; nur der Krieger blieb übrig.«
    »Diese Geschichte kannte ich noch nicht«, sagte Aliver.
    Kelis neigte den Kopf zur Seite, hob ihn wieder. »Keiner von uns konnte sich seinen Vater aussuchen. Weder du noch ich, und auch sonst niemand. Aber glaub mir, wenn man eine Berufung hat, sollte man sich ihr nicht widersetzen. Das wäre eine schwere Bürde.«
    Am nächsten Morgen waren Alivers Beine steif, doch als er sie in Bewegung setzte, lockerten sich die verspannten Muskeln rasch. Sie legten das gleiche Tempo vor wie Tags zuvor. Die wogende, mit Bäumen durchsetzte Landschaft hatte sich nicht verändert. Am dritten Tag nahmen vier Laryx ihre Witterung auf und folgten ihnen. Die Tiere, die sich mit federnden Sprüngen fortbewegten und sich untereinander mit heiseren Rufen verständigten, kamen ihnen so nahe, dass Aliver beim Zurückblicken individuelle Merkmale unterscheiden konnte. Einem fehlte ein Ohr. Ein anderer hinkte auf einem Vorderbein. Der Anführer war größer als das Tier, das er erlegt hatte, und der vierte hielt sich an der Seite, als bereite er sich darauf vor, der Beute in die Flanke zu fallen. Würden die vier Bestien sie einholen und umzingeln, gäbe es keine Hoffnung für die beiden Männer, lebend zu entkommen. Der Hass der Laryx auf die Menschen war ebenso groß wie ihre Furcht. Wie ein Löwe, der die Jungen kleinerer Raubkatzen jagt, stellten sie den Menschen anscheinend aus Bosheit nach.
    Während er vor ihnen herlief, wurde Aliver bewusst, wie sehr er sich in den paar Wochen seit seiner Jagd auf den Laryx verändert hatte. Damals war ihm klar gewesen, dass er einen schrecklichen Tod erleiden würde, wenn er einen Fehler machte. Das Seltsame dabei war, dass ihm dieses Gefühl tief im Inneren vollkommen vertraut war. In gewisser Weise lebte er seit dem Abend, da der Mein seinen Vater in die Brust gestochen hatte, mit dieser Angst. Seitdem verfolgte ihn ein unsichtbares Ungeheuer. Dass er es auf einmal am helllichten Tag mit einer richtigen

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