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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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entfachten ein kleines Feuer, nur um die wilden Tiere daran zu erinnern, dass sie Menschen waren, die man besser in Ruhe ließ. Decken hatten sie nicht. Neben dem Feuer gruben sie Kuhlen in den Sand und legten sich Seite an Seite zum Schlafen nieder. Es würde eine kalte Nacht werden, doch der Boden würde die Tageswärme bis zum Morgen halten. Sie verzehrten einen Brei aus gestampftem Sedikorn, das sie bei sich trugen. Er war geschmacklos, aber nahrhaft. Aliver benutzte einen Streifen Dörrfleisch als Löffel, den er anschließend verspeiste. Kelis grub eine Knolle aus, die von den Talayen wegen ihrer Form Knöchelwurzel genannt wurde. Er durchtrennte säuberlich den Strunk, dann nahmen beide eine Hälfte und saugten die Flüssigkeit heraus, süßlich-scharf und reinigend.
    »Bisweilen kommt mir das alles wie Wahnsinn vor«, sagte Aliver. »Was wir hier tun, was von mir erwartet wird, kann einfach nicht wahr sein. Das ist ein Kindermärchen, einer jener Mythen, wie man sie mir als Knabe erzählt hat.«
    Kelis nahm die Wurzel aus dem Mund. »Jetzt ist es deine Geschichte. Du bist der Mythos.«
    »Das hat man mir gesagt. Hältst du uns Acacier für verrückt, weil wir verbannten Magiern hinterherjagen? Sind wir für dich ein Witz?«
    »Ein Witz?« Im trüben Feuerschein war die Miene des Mannes schwer zu deuten, doch belustigt sah er nicht aus.
    »Kelis, ich soll fünfhundert Jahre alte Magier finden und sie überreden, mir dabei zu helfen, das Königreich zurückzuerobern, das meinem Vater geraubt wurde. Verstehst du überhaupt, was das bedeutet? Hier, um uns herum, gibt es nichts, was den Verlust verdeutlichen könnte, den mein Vater erlitten hat. Er war es, der das größte Reich der Welt verwirkt hat. Und jetzt spricht er aus dem Grab zu mir und bittet mich, es wieder zurückzugewinnen. Ist das nicht zum Lachen?«
    In einem weiten Halbkreis rund ums Feuer begannen Schakale zu bellen. Die Tiere zumindest fanden das Ganze anscheinend komisch. Kelis wirkte noch immer todernst. Er warf seine
    Knöchelwurzel weg und sagte: »Unsere Geschichtenerzähler wissen ebenfalls von den Gottessprechern. Auch in unseren Legenden kommen sie vor. Du kennst sie ja.«
    »Und ihr glaubt daran?«
    Kelis schwieg, doch Aliver konnte sich denken, wie seine Antwort gelautet hätte. Natürlich glaubten sie daran. Für die Talayen lebte die Wahrheit im gesprochenen Wort. Dass ihre Legenden bisweilen ausgesprochen unwahrscheinlich klangen oder einander widersprachen, war nicht entscheidend. Wurden sie erzählt – so wie sie von ihren Vorfahren überliefert worden waren -, konnte ein Talaye gar nicht anders, als an sie zu glauben. Es gab keinen Grund, sie anzuzweifeln. Aliver waren im Laufe der Jahre viele Legenden zu Ohren gekommen.
    Er wusste, dass die Gottessprecher auf dem Weg ins Exil angeblich durch Talay gewandert waren. Der Legende zufolge waren sie erbost über ihre Verbannung gewesen. Sie hatten Tinhadin geholfen, sich die ganze Welt zu unterwerfen, und dann hatte er – der Größte von ihnen – sich gegen sie gewandt und ihnen verboten, sich weiterhin der Gottessprache zu bedienen. Sie fluchten vor sich hin, leise, damit Tinhadin sie nicht hören konnte. Doch selbst diese geflüsterten Flüche besaßen Macht. Sie hatten Breschen ins Land gerissen, gewaltige Erdschollen aufgetürmt und, indem sie die Arme schwenkten, Brände entfacht. Sie hatten ihren Blick auf die Tiere des Graslands gerichtet und sie entstellt, sie in Wesen wie den Laryx verwandelt. Sie hatten großen Schaden angerichtet, so erzählten die Legenden, doch zum Glück wanderten sie durch unbewohnte Regionen in das ausgedörrte, sengend heiße Flachland des Südens. Dem Mythos zufolge weilten die Santoth dort immer noch. Bislang hatte es noch niemand auf sich genommen, sich von der Wahrheit dieser Erzählungen zu überzeugen. Warum auch? Es gab nur einen Menschen, der Grund hatte, nach ihnen zu suchen – ein Akaran-Prinz, der ihre Verbannung aufheben wollte.
    »Willst du eine Geschichte hören, die nicht von dir handelt, sondern von jemand anderem?«, fragte Kelis. »Dann hör zu.
    Es gab einmal einen jungen Talayen, dessen Vater ein sehr stolzer Mann war, ein Krieger. Er lebte für den Krieg und wollte, dass sein Sohn in seine Fußstapfen träte. Sein Sohn aber war ein Träumer, der voraussagte, wann es regnete und ob Kinder gesund zur Welt kommen würden, einer, dessen Traumleben ebenso erfüllt war wie sein Wachleben. Der Junge träumte von Ereignissen, die noch

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