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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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ist durch mich nicht besser geworden. Das weiß ich. Aber meinem Volk geht es jetzt besser. Glaubt mir, das haben wir verdient. Kein anderes Volk hat so gelitten wie das meine.«
    »Das ist wohl auch meine Schuld.«
    Hanish wartete daraufhin ein paar Augenblicke, tanzte weiter und wich ihrem Blick auf eine Art und Weise aus, wie sie es noch nie bei ihm erlebt hatte. »Nicht Eure, aber die Eurer Familie. Eure Familie hat die Tunishni hervorgebracht. Sie hat sie erschaffen. Nachdem Tinhadin durch alle möglichen Täuschungen den Thron erobert hatte – wenn Ihr mir Hinterhältigkeit vorwerft, solltet Ihr Euch Eurer eigenen Geschichte entsinnen, Corinn -, hat er meine Ahnen verbannt und sie verflucht. Er war ein Zauberer. Er brauchte etwas nur auszusprechen, damit es geschah.«
    »Santoth«, sagte Corinn. »Ihr sprecht von den Santoth.« Hanish nickte. »Tinhadin verfügte über eine Gabe, die vielleicht auch Ihr besitzt, nur wisst Ihr sie nicht zu gebrauchen. Er hat das Geschlecht der Mein mit einem ewigen Fluch belegt. Niemand aus meiner Familie hat seitdem im Tod Frieden gefunden – keiner, seit über zwanzig Generationen. Unsere Toten verwesen nicht. Unser totes Fleisch verbrennt nicht. Unsere Seelen bleiben im Körper gefangen. Wir leben nicht, wir überdauern. Ein endloses Verweilen.«
    Weitere Paare hatten sich ihnen angeschlossen. Sie imitierten Hanishs Tanz, wirbelten umher und suchten seinen Blick, den er ihnen verweigerte. Corinn glaubte, er werde das Thema wechseln, damit niemand mithören konnte, doch er sprach weiter, ohne auch nur die Stimme zu senken.
    »Es gibt keinen schlimmeren Fluch, als ewig zwischen Leben und Tod zu schweben, wenn einem das eine wie das andere verwehrt wird«, sagte er. »Könnt Ihr Euch vorstellen, Jahr um Jahr in einem Leichnam eingesperrt zu sein, ohne dass ein Ende absehbar wäre? Der Tod kommt zu allen Geschöpfen. Allen Wesen, Menschen und Tieren, Bäumen und Fischen, winkt die Erlösung, außer meinen Ahnen. Außer mir. Das ist es, was die Tunishni sind. Das ist der Grund, weshalb ihre Zahl mit jedem Jahr wächst. Das ist der Grund, weshalb Euer Volk die Toten verbrennt und die Asche mit dem Wind verstreut. In euren Gebräuchen haben der Fluch und die Angst davor überdauert, auch wenn ihr euch nicht mehr daran erinnern könnt. So ist es häufig. Das Gedächtnis der Allgemeinheit ist meistens weiser als das des Einzelnen. Ich suche nach einer Möglichkeit, sie zu erlösen, damit sie endlich Frieden finden. Vielleicht – solltet Ihr jemals die Bereitschaft dazu in Eurem Herzen finden – könntet Ihr mir dabei helfen.«
    »Ich?«
    Hanish nickte. »Euch kommt vielleicht eine Bedeutung zu, von der Ihr nichts ahnt.«
    »Ist es wahr, dass Ihr mit ihnen sprecht?«
    »In gewisser Weise schon.«
    »Und was teilen sie Euch mit?«
    Sie prallten gegen ein anderes Paar. Hanish blieb stehen, ließ die Arme sinken und senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Sie teilen mir viele bedeutsame Dinge mit, Corinn. Im Moment sagen sie mir, dass es hier drinnen zu eng geworden ist, Prinzessin. Sie schlagen vor, dass wir uns zurückziehen.«
    Den ganzen nächsten Tag verbrachten sie zusammen. Hanish hatte anscheinend nichts Besseres zu tun, als sie zu unterhalten. Sie ritten über die Küstenstraße, die den Konturen der Hochebene nach Norden folgte, neben sich das Meer, vor ihnen die sich nach Westen erstreckenden Felder. Die Punisari-Eskorte ritt außer Hörweite hinter ihnen. Zum ersten Mal hatten sie Gelegenheit, sich unbelauscht zu unterhalten. Allerdings sprachen sie trotz der günstigen Gelegenheit nur über Nebensächlichkeiten.
    An einer berühmten Stelle saßen sie ab und standen an einem Spalt in den Klippen, in dem die Brandung eine gewaltige Gischtwolke aufwarf. Sie stieg rhythmisch auf, wie Stöße aus einem gewaltigen Blasebalg in der Tiefe des Meeres. Und nach dem Essen schossen sie Wachteln, die eine nach der anderen zu ihrem Vergnügen losgelassen wurden. Die Vögel versuchten zu fliehen; ihr wildes Flügelschlagen war trotz der Entfernung deutlich zu vernehmen. Sie waren alles andere als ein leichtes Ziel für Pfeil und Bogen. Hanish streifte lediglich eine von ihnen; Corinn erlegte fünf Tiere. Es war etwas Befriedigendes daran, zu treffen: wie die Schwingen des Vogels augenblicklich innehielten, wie sich seine Flugbahn änderte, wie er vom Himmel stürzte, ein lebloses Gewicht, das vom Pfeilschaft in eine torkelnde Bewegung versetzt wurde. Einmal fuhr ihr Pfeil

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