Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
Vom Netzwerk:
wurde herumgerissen und stürzte jetzt in Querlage in das Astgewirr direkt unter ihr. Dadurch wurde ihr Sturz abgefangen. Das Seil fiel auf sie herab. Einer der Zinken des Hakens bohrte sich in ihr Bein.
    Die Ereignisse überschlugen sich, sodass sie nicht einmal Zeit zum Schreien fand. Von einer heftigen Windbö und einem Schauer dicker Regentropfen getroffen, die so hart wie eiskalte Steine waren, neigte sich der Baum stärker denn je. Der morsche Stamm erbebte. Mena spürte, wie er nachgab und wusste, dass er unterhalb des Blätterdachs der umstehenden Bäume abgebrochen war. Er würde umstürzen.
    Maeben war wieder aufgestiegen, peitschte die Luft mit den Schwingen, während sie versuchte, an Mena heranzukommen; sie hackte mit dem Schnabel, griff mit den Krallen zu. Mena riss sich den Haken aus dem Bein und schleuderte ihn dem Seeadler ins Gesicht. Der Wurf war schlecht gezielt. Der Haken flog über die Schulter des Adlers hinweg. Einen Moment lang hing er dort, eine reglose Linie, die ihr Ziel verfehlt hatte. Der Riesenvogel schlug weiter mit den Schwingen, fixierte seine Beute, wartete auf einen günstigen Moment zum Angriff und achtete nicht auf die langsame Fallbewegung des Baums. Der Moment dehnte sich scheinbar endlos.
    Dann beschleunigte sich der Sturz des Baumes jäh. Mena fühlte, wie sie sich von dem Vogel entfernte. Ohne den Blick von ihm abzuwenden, stürzte sie mit dem Baum in die Tiefe. Sie sah, wie das Seil sich straffte, sah, wie das andere Ende, das hinter dem Seeadler herabzufallen begonnen hatte, von dem Baum nach unten gezogen wurde. Plötzlich spannte sich das Seil. Es schnitt in einen Flügel ein, schrammte an Federn und Knochen entlang, bis der Haken sich am Flügelgelenk verfing. Das Seil – dessen anderes Ende sich im Geäst des umkippenden Baums verfangen hatte – riss Maeben mit einer Wucht in die Tiefe, die das Tier offenbar nicht zu begreifen vermochte. Ihr Schnabel öffnete sich ungläubig, die Schwingen waren hinter ihrem Körper flach zusammengedrückt und die Augen ausnahmsweise voller Entsetzen.
    Mena hatte genug gesehen. Sie stieß sich von dem Baum ab, drehte sich in der Luft, breitete die Arme aus, als könnte auch sie fliegen, und stürzte dem Laubdach entgegen.

DRITTES BUCH
    Der lebende Mythos

51

    Lange lag Hanish reglos da und schwelgte in Corinns Nähe. Er wollte sie nicht wecken, wollte nicht sprechen und lächeln und den Tag mit den Nichtigkeiten eines Liebenden beginnen. Jedenfalls erklärte er es sich damit. Es war besser herunterzuspielen, wie schön es sich anfühlte, ihren nackten Körper zu berühren. Er wollte sich nicht ganz eingestehen, wie richtig es ihm vorkam, die Locken ihres Haars mit den Finger zu berühren. Ihm war klar, dass Spuren von ihr auf vielerlei Weise an ihm haften würden. Das gefiel ihm, doch es war besser, nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass er sich in gewisser Hinsicht vor allem deshalb nicht rührte, weil er noch mehr von ihr in seine Haut aufnehmen wollte. Er würde sie den ganzen Tag lang auf der Zunge schmecken, in den Mundwinkeln, wie der Geruch seines eigenen Körpers, den er in der Luft wahrnahm, wenn er den Kopf wandte. Gern hätte er nicht an all dies gedacht, doch er konnte an nichts anderes denken.
    Keine Frau vor Corinn Akaran hatte sich so tief in jeden bewussten Augenblick seines Daseins gedrängt. Seit jener Nacht in Calfa Ven war sie ihm niemals wirklich aus dem Kopf gegangen. Er weigerte sich, das Gefühl zu benennen, das er für sie empfand, doch das bedeutete nicht, dass er das Wort – vage und sentimental, wie es war – nicht zwischen ihnen spürte. In jener ersten Nacht war sie scheu gewesen, unsicher und verlegen, was sie umso reizvoller gemacht hatte. Allerdings war ihre Zurückhaltung nur von kurzer Dauer gewesen. Wenn sie sich schon hingab, wollte sie es anscheinend vollständig tun, mit Leidenschaft. Ihr Mund war, als sie ihn küsste, von einem Hunger getrieben worden, der ihn völlig verblüffte; ihre Lippen, Zunge und Zähne hatten ihn alle zugleich verschlungen. Es war beinahe so, als hätte sie ihn erobert und nicht umgekehrt. Ein beunruhigender Gedanke.
    Es war erstaunlich, was für ein Hochgefühl ihre Nähe in ihm auslöste. War sie ihm fern, dachte er entweder ständig an sie oder lief mit einem Gefühl quälenden Unbehagens herum. Er vernachlässigte seine Gefährten. Er wusste, dass sie sich gekränkt fühlten. In Anbetracht ihrer Empfindlichkeit sollte er nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, ohne

Weitere Kostenlose Bücher