Acacia 01 - Macht und Verrat
ein Akt des Vertrauens in einer Welt, in der wenig darauf schließen ließ, dass Vertrauen sich lohnte. Wenn er sagte, was er sagen wollte, würde er zugeben, dass er das Kind gewesen war, das zitternd, verweint und mutterseelenallein in einer Berghütte zurückgelassen worden war. Ohnmächtig. Im Stich gelassen. Der kleine Junge, der durch die Ritzen in eine unermessliche Welt hinausblickte, die sich keinen Deut um ihn scherte. Und wer würde ihn diesmal retten?
»Sprotte, wir stecken nicht in dir drin, Mann«, sagte Nineas so griesgrämig wie immer. »Spuck schon aus, was dir durch den Kopf geht.«
»Ich bitte euch, mich nicht mehr Sprotte zu nennen.« So, der Anfang war gemacht. So schwer war es gar nicht gewesen. In den Gesichtern der Zuhörer zeigte sich kein Erstaunen, keine Ablehnung, keine Geringschätzung. Und auch kein Spott. »Dieser Name passte zu dem Knaben, der sich verstecken wollte. Ich war dankbar dafür, aber jetzt verstecke ich mich nicht mehr. Wenn ihr mich von nun an irgendwie nennen wollt, nennt mich Dariel. Dariel Akaran. Denn der bin ich.«
Er hasste das Schweigen, das seinen Worten folgte. Wo war sein Selbstvertrauen abgeblieben? Wo war die Sicherheit, die er in der Schlacht immer empfand? Die simple Bitte, ihn mit seinem richtigen Namen anzureden, machte ihn so verlegen, dass er am liebsten in den Deckplanken versunken wäre. Doch er bereute es nicht. Seine Führungsrolle unter diesen kampferprobten Männern und Frauen war bedeutungslos, wenn sie ihn nicht als den nahmen, der er war. Es lag an ihnen, ob sie sich an dem Kampf gegen Hanish Mein beteiligen wollten, und das Mindeste, was er tun konnte, war, aufrichtig zu ihnen zu sein.
Jemand sagte: »Wenn du ein Prinz bist, dann sind wir alle dein Hofstaat. Hab ich recht?«
»Ich hab immer gewusst, dass adliges Blut in meinen Adern fließt«, bemerkte Geena und kniff die Augen auf eine Art zusammen, die bei ihr Belustigung ausdrückte.
Clytus stand lächelnd auf und trat vor Dariel hin. »Guck nicht so erstaunt, Prinz Dariel Akaran. Von uns wirst du keine Einwände zu hören bekommen. Die meisten haben die ganze Zeit über gewusst, wer du bist. Wir haben es immer geglaubt. Dafür hat Dovian gesorgt.«
Die Erwähnung von Dovian – oder Val, jetzt, da er selbst wieder Dariel war – ließ ihn fast in Tränen ausbrechen. Er verbarg es hinter Großspurigkeit und fragte seine Leute, wer von ihnen dann den Schneid habe, gegen Hanish Mein Krieg zu führen. Wren antwortete als Erste, gefolgt von vielen anderen.
Und so hatte diese Reise begonnen, mit ungezwungener Begeisterung und Kameradschaft. Dariel erinnerte sich gern daran. Keinen Moment lang nahm er die Treue seiner Mannschaft als selbstverständlich hin. Und er hielt auch keine Distanz zu seinen Leuten. Er war ihr Kapitän. Das wussten alle. Dass er auch noch ein »Prinz« war, änderte nichts an ihrem Verhältnis. Er nahm keine Allüren an, und seine Leute begegneten ihm nicht unterwürfiger als zuvor. So war alles genauso, wie er es haben wollte.
Als sie den äußersten Ausläufer von Talay umrundet hatten und wieder Kurs nach Norden nahmen, passierte die Ballan ein Handelsschiff der Gilde, das auf dem Weg nach Süden war. Die Armbrustschützen an Bord des Frachters gingen in Stellung. Alles deutete darauf hin, dass ihnen ein Geplänkel durchaus willkommen gewesen wäre. Die Seeräuber aber hatten den Wind im Rücken und segelten vorbei, ohne das andere Schiff auch nur mit einem Nicken zur Kenntnis zu nehmen. Dariel ließ die Flagge hissen. Sollen sie ruhig wissen, wer wir sind, und sich den Kopf darüber zerbrechen, was wir vorhaben, dachte er.
Eine Woche lange rauschten sie nordwärts in wärmere Gewässer. Einige weitere Tage lang schoben sie sich an der Küste südlich von Teh entlang und überlegten, wo sie anlegen sollten. Auf Leekas Rat hin segelte Dariel nicht um das Kap herum. Teh war von Horden sonnenhungriger Numrek bevölkert. Und dahinter waren im Innenmeer viel zu viele Schiffe unterwegs. Deshalb legte die Ballan in einer kleinen Handelsstadt namens Falik an, einem Balbara-Hafen, der über Osttalay Zugang zum Landesinneren bot.
Von dem Moment an, da er auf den Pier trat und um die Liegegebühren zu feilschen begann, war ihm klar, dass er es hier mit einer großen, bevölkerungsreichen und vollkommen anderen Kultur zu tun hatte. Dariel fühlte eine fast greifbare Fremdheit dieses Ortes überall um sich herum. Andere Kulturen als die acacische waren ihm nicht fremd;
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