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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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behauenen Säulen stammten aus einer früheren architektonischen Epoche als die meisten anderen Bauten der Stadt, aus einer Zeit, als die Führer der Nation über die klaren Linien und Bögen kultivierter Städte wie denen an der talayischen Küste, von denen sich später viele Generationen inspirieren ließen, noch die Nase rümpften.
    Der Prinz war schlicht gekleidet. Hätte er nicht untadelige Ehrerbietung an den Tag gelegt, wäre Corinn vielleicht enttäuscht gewesen. Er näherte sich ihr mit gesenktem Blick, die Arme an den Körper gelegt und die Handflächen nach vorn gedreht. Er und seine Begleitung gingen im Gleichschritt. Als der junge Mann nur noch eine Stufe von ihr entfernt war, blieb er stehen. Er hob den Blick und sah ihr einen Moment länger in die Augen, als schicklich war. Sie war geneigt, ihm das zu verzeihen, zum einen wegen seines zaghaften, schiefen Lächelns, zum anderen weil sie wusste, dass ihr Kleid, der weiße Pelzschal um ihren Hals, das kunstvoll geflochtene Haar und der glitzernde Muschelpuder auf ihren Wangen eine beeindruckende Wirkung ergaben.
    Igguldans Erscheinung war typisch aushenisch: Er hatte strohblondes, teilweise ins Kastanienbraune changierendes Haar, seine Augen waren tiefblau und glichen von hinten beleuchteten, gesprenkelten Glasperlen. Corinn hatte früher geglaubt, blasse, sommersprossige Haut sei weniger reizvoll als das samtige Braun der Acacier und das Beinahe-Schwarz der Talayen, doch als sie Igguldan so betrachtete, fand sie ihn äußerst anziehend. Am liebsten hätte sie ihn berührt, direkt unter dem Auge, und wäre mit dem Finger von einer Sommersprosse zur anderen gefahren.
    Sie führte die Abordnung durch die wichtigsten Gebäude des oberen Stadtviertels, vorbei an den verschiedenen Palastflügeln und bis zum Übungsgelände und den Regierungsgebäuden. Beim Anblick der goldfarbenen Affen, die im Freien und sogar im Palast umhertollten, gerieten die Aushenier schier in Verzückung. So etwas gebe es bei ihnen nicht, erklärten sie. Corinn nickte unbeeindruckt. Sie sah die Tiere jeden Tag. Sie waren nicht größer als Katzen und hatten ein weiches Fell, dessen Farbe zwischen Gelb und Rot variierte. Sie galten als heilig, doch Corinn hatte den Grund vergessen und erwähnte es auch nicht.
    Schließlich gelangten sie zu der alten Ruine, in der die Fundamente von Edifus’ erstem Verteidigungsturm zu sehen waren. Die Überreste des Bauwerks waren von einem modernen Gebäude umschlossen, einer Art Pavillon, der auf geschwungenen Beinen stand und es erlaubte, die Ruine aus drei Himmelsrichtungen zu betrachten. In der Mitte stand eine Statue des jungen Elenet. Einer der Berater des Kanzlers trug die Geschichte des ersten Zauberers vor, die in mancherlei Hinsicht auch die des Schöpfers war.
    Am Anfang, berichtete der Berater, habe der als Schöpfer bekannte Gott die Welt als Manifestation der Freude erschaffen. Er schuf alle Wesen einschließlich der Menschen, wenngleich er die Menschen nicht von anderen Wesen unterschied. Singend schritt er über die Erde und wirkte durch die Kraft seiner Worte. Seine Sprache war der Faden, die Nadel und das Muster, aus dem die Welt gewebt wurde. Seine Wonne wurde allerdings gestört. Ein Menschenwaise von sieben Jahren sah den Gott durch sein Dorf schreiten. Er näherte sich dem Schöpfer und bot sich ihm als Diener an, denn er wollte seiner Gnade teilhaftig werden. Der Schöpfer willigte ein und nahm ihn mit. Elenet jedoch lauschte unwillkürlich dem Lied des Gottes. Er prägte sich die Worte ein. Schließlich verstand er sie auch und wurde sich ihrer Macht bewusst, und er ergötzte sich daran, sich ihrer zu bedienen. Sobald er genug gelernt hatte, lief er davon.
    »Das war der erste Gottessprecher«, sagte der Berater. »Sein Wissen vermittelte er einigen wenigen Auserwählten. Als der Schöpfer von Elenets Täuschung erfuhr, war er enttäuscht. Er kehrte der Welt den Rücken und verstummte. Nie wieder sah man ihn auf Erden wandeln. Nie wieder erklang sein Lied. Deshalb ist die Welt so, wie sie jetzt ist.«
    Igguldan kniete nieder, strich mit den Händen über die Risse im alten Stein und murmelte vor sich hin; offenbar kannte er die Geschichte bereits und war ergriffen. Obwohl Corinn inwendig über seine Ernsthaftigkeit ein wenig die Stirn runzelte, erwies er sich während der nächsten Stunde als angenehmer Gesprächspartner. Acacisch sprach er wie die meisten seiner Begleiter nahezu fehlerfrei. Es dauerte nicht lange, bis der

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