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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Dolmetscher und die Berater des Kanzlers zurückblieben und die Besuchergruppe sich verteilte wie Kinder auf einem Lernausflug.
    »Ich wüsste gern«, sagte Igguldan, »ob es stimmt, dass Edifus ein Schüler Elenets war. Man sagt, er sei ein Zauberer gewesen. Deshalb habe er – und nach ihm Tinhadin – auch so vollständig triumphiert. Was meint Ihr, Prinzessin?«
    »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, aber ich sehe keinen Grund, an Magie zu glauben. Wenn Vertreter meines Volkes früher über eine solche Gabe verfügt haben, warum besitzen wir sie dann nicht mehr?«
    »Ihr besitzt sie nicht?«, meinte Igguldan lächelnd. »Ihr könnt mich beispielsweise nicht verzaubern und zwingen, Euch zu gehorchen?«
    »Dazu bedarf es wohl kaum der Magie«, scherzte Corinn so beiläufig, dass die Worte heraus waren, ehe sie darüber nachgedacht hatte. Ihr wurde heiß um Brust und Hals. »Vielleicht haben wir die Geschichten über die Magie erst später erfunden, um uns Edifus’ Taten zu erklären. Naiven Menschen fällt es schwer, an Größe zu glauben.«
    »Das mag sein...« Der Prinz trommelte mit den Fingern auf den verwitterten Stein, hob sich kurz auf die Zehenspitzen und blickte nach Osten. »Dann bin ich wohl ein naiver Mensch, denn ich mag die alten Geschichten so, wie sie sind. Eure Überlieferung nimmt großen Raum in unseren Legenden ein. In Aushenia zweifeln wir nicht daran, dass Männer und Frauen früher durch Magie gewirkt haben und dass Euer Volk sie dazu benutzt hat, sich die Welt zu unterwerfen. Es gibt ein wundervolles Gedicht über Menschen, die dieses Wissen erlangt haben, das Lied Elenets. Ich werde es nicht vortragen, denn ich will Euch nicht in Verlegenheit bringen, aber vielleicht kann ich es Euch irgendwann später einmal vorsingen.«
    »Und wie steht es heute um die Magie?«, wollte Corinn wissen. »Ich sehe weit und breit keine Magier.«
    Der aushenische Prinz lächelte und schwieg. Sie ließen Edifus’ Ruine hinter sich und stiegen gemächlich zum Ruheplatz des Königs hinauf, dem höchsten Punkt der Insel. »Ich weiß nicht viel über Euer Volk«, gestand Corinn. »Was sind die Aushenier für Menschen?«
    »Ihr würdet es in Aushenia kalt finden. Nicht so kalt wie im Mein – dort oben lässt sich im Winter die Sonne kaum blicken, und es kann das ganze Jahr über schneien, sogar im Hochsommer. In Aushenia ist es anders. Es stimmt, bei uns ist der Sommer kurz, aber kraftvoll. Die Tiere und Pflanzen nutzen die wenigen Monate, so gut sie können. Im Frühling stoßen die Knospen und frischen Triebe aus dem Schnee hervor, als hätte ihnen der Schöpfer von einem Tag auf den anderen freien Lauf gelassen und als könnte nichts sie aufhalten. Im Sommer ist es recht warm. Dann schwimmen wir in den Seen im Norden. Manchmal schwimmen wir sogar im Meer. In Killintich findet zur Sommersonnenwende immer ein Wettstreit im Schwimmen und Laufen statt. Die Teilnehmer schwimmen vom Burgpier zu einer bestimmten Stelle im Hafen. Zurück müssen sie laufen. Dafür brauchen sie einen ganzen Tag.«
    Am Fuß der letzten Treppe hielten sie einen Moment inne. Die anderen waren ein Stück zurückgeblieben. Corinn sagte: »Eben noch habt Ihr gesagt, es sei kalt bei euch, und dann erzählt Ihr von knospenden Blumen und vom Schwimmen. Was davon ist wahr, Prinz?«
    »An einem Ort, der so weit im Norden liegt wie Aushenia, ist nicht die Kälte das Ausschlaggebende, sondern der Augenblick, wenn sie weicht.« Corinn nickte, dann schwiegen sie kurz. »Ansonsten ist es bei uns ganz ähnlich wie hier. Mein Volk hat ebenso großen Respekt vor der Gelehrsamkeit wie das Eure. Einige unserer besten Schüler werden in Alecia ausgebildet, aber das wisst Ihr bestimmt. Aushenia ist das nördlichste Land, das sich mit Edifus gegen die Mein verbündet hat. Bedauerlicherweise hat das Bündnis nicht überdauert, nachdem der Zwist beigelegt war. Aus diesem Grund bittet mein Vater den Euren, uns die Ehre eines Besuchs zu erweisen. Meinem Vater geht es nicht gut, versteht Ihr? Er kann nicht reisen, hat aber sein Leben lang auf ein Bündnis mit Eurem Volk hingearbeitet. Er glaubt, gemeinsam wären wir stärker.«
    Obwohl die anderen sie noch nicht erreicht hatten, nahm Igguldan die nächste Stufe, und Corinn folgte seinem Beispiel. Seite an Seite stiegen sie in die Höhe, um das Alleinsein noch etwas länger auszudehnen. »Und wir sind Dichter«, sagte der Prinz.
    »Dichter?«
    »Auf diese Weise bewahren wir unsere Geschichte, in epischen

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