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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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zwischen Leekas Oberkörper und Arm hindurchging. Der Soldat wurde gegen ihn geschleudert. Die Wucht des Aufpralls schleuderte sie beide zurück; der Helm des Mannes krachte gegen Leekas Stirn und schlug ihn bewusstlos. Sie mussten zusammen zu Boden gegangen sein, und offenbar hatte einer ebenso tot ausgesehen wie der andere.
    Das war wohl der Grund, weshalb man ihm nicht den Garaus gemacht hatte und er viele Stunden später in einem Leichenberg wieder zu sich gekommen war. Bevor er niedergestreckt worden war, hatte er gesehen, dass einige der Feinde tote Soldaten an den Knöcheln gepackt und sie zu Haufen übereinandergeworfen hatten; sie hatten aufgeräumt, als wollten sie nicht, dass die Leichname ihren Spielplatz verunzierten. Also hatte man wohl auch ihn auf einen solchen Haufen geworfen. Andere waren um ihn herum und über ihm aufgeschichtet worden. Bewegungsunfähig inmitten eines Bergs blutüberströmter Männer und Frauen begraben, die sich unter und über ihm türmten, verlor er immer wieder das Bewusstsein.
    In seinen wachen Momenten wurde ihm klar, dass Leben Leiden und große Hitze bedeutete. Er war so dicht eingekeilt, dass er zunächst meinte, die Hitze sei allein eine Folge der Enge. Etwas später wurde es so unerträglich heiß, dass nicht allein die Leichen dafür verantwortlich sein konnten. Er spürte, wie die Toten rings um ihn herum sich krümmten und erzitterten und den ekelerregenden Gestank brennenden Fleischs verströmten. Dieser Zustand währte Stunden. Immer wieder fiel er in einen albtraumbeladenen Schlaf, bis er beim Aufwachen schlagartig begriff, dass die Hitze nicht nur außen, sondern auch in ihm tobte. Ein Fieber pulsierte von der Mitte seiner Stirn aus. Dort war ein Käfer eingesperrt. So musste es sein. Ein Insekt bohrte seinen gebogenen Rüssel in seinen Schädel, pumpte irgendein Gift in ihn hinein, während der rundliche, geblähte Leib vor Anstrengung bebte. Er versuchte, danach zu greifen, konnte sich jedoch nicht rühren. Schweiß drang ihm aus allen Poren. Seine Augen brannten vom Salz. Er leckte sich die Mundwinkel, erschrak über seine ledrig verkrusteten Lippen. Auch seine Zähne hatten sich verändert. Sie hatten sich in scharfe Raubtierzähne verwandelt, die sich in seine Zunge bohrten und seinen Mund mit Quecksilbergeschmack füllten, den er nicht ausspeien konnte, so sehr er sich auch bemühte. Er würgte, verlor das Bewusstsein, erwachte keuchend, erinnerte sich an die Hitze und den Käfer in seinem Schädel und begriff, dass das Fleisch begonnen hatte, sich von seinen Knochen zu lösen, verfaulter Unrat. Und dann verlor er erneut das Bewusstsein. Träumte. Erwachte. Krümmte sich in Qualen. Und so weiter.
    All das war gewesen, bevor er endgültig erwacht war, Kühle gespürt und das weiße Viereck erblickt hatte, und den Vogel, der Schatten über den Himmel hatte zucken lassen. Er wusste nicht, wie viele Tage verstrichen waren, als er sich aus dem grauenhaften Leichenverhau befreite, in dem er begraben gewesen war. Die Leichname, die ihn gewärmt hatten, waren inzwischen steif gefroren. Der Leichenberg war mit Schnee bestäubt, doch die verkohlten Überreste unter der Eisschicht waren deutlich zu erkennen, die vom Wind verwehte Asche. Man hatte die Leichen in Brand gesteckt. Ringsumher waren viele ähnliche Haufen.
    Der Leichenberg, in dem Leeka gelegen hatte, hatte schlechter gebrannt als die anderen; vermutlich war dies der Grund, weshalb er noch atmete. Auf der Tundra war alles Mögliche verstreut: blutige, unbrauchbare Ausrüstungsgegenstände, die Kadaver von Packtieren und Hunden, Körperteile von Männern und Frauen. Es war ein Anblick absoluter, frostiger Trostlosigkeit; abgesehen von ein paar Vögeln, den dickhalsigen, gedrungenen Aasfressern des Nordens, war kein lebendes Wesen zu sehen. Die Vögel hatten mächtige Schnäbel, kurz und erkennbar gezackt. Mit einem Aufflackern der Hoffnung erwog er die Möglichkeit, dass er vielleicht doch schon tot und dies der Nachtod sei. Doch die Welt war zu grauenhaft solide, als dass er das hätte glauben können.
    So wäre er noch eine ganze Weile stehen geblieben, bis zu den Oberschenkeln gestützt von den verkohlten Leichenresten, wäre nicht ein Geier in der Nähe gelandet und hätte an den verkrümmten Fingern eines Soldaten zu zerren begonnen. Der Gedanke, ein oder zwei der Vögel zu töten, gab Leeka neuen Lebensmut. Binnen einer Stunde hatte er einen Bogen und einige Pfeile gefunden. Damit erlegte er drei

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