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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Stattdessen hat er sie wieder mit nach Hause genommen und sein Dorf mit seinen Freudenschreien aufgeweckt.
    Das ist die Geschichte. Mein Vater hat sie besser erzählt als ich, aber das ist zumindest das Wichtigste. Es ist natürlich nur eine Geschichte und nicht die Wahrheit, das erkennt man daran, dass der selbstsüchtige Vater plötzlich großzügig geworden ist. So etwas habe ich immer nur in Geschichten erlebt. Aber ich vermute, wir brauchen Dinge, nach denen wir streben. Was hältst du von Elya? Ich glaube, der Name würde zu dir passen. Wenn ich dich Elya nenne, wirst du dann darauf hören?«
    Die Kreatur, die vielleicht bemerkte, dass Mena fragend die Stimme hob, sah sie an.
    »Elya«, wiederholte Mena, wobei sie in eine Art Singsang verfiel. »Elya … Wie erkläre ich dir, was ein Name ist?«
    Sie versuchte es auf verschiedene Arten. Sie war froh, dass niemand in der Nähe war und das alles mit anhörte; ihr war klar, dass sie sich wie eine Idiotin oder eine Verrückte anhören würde oder wie beides zusammen. Doch sie machte ein Spiel daraus. Sie berührte ihre Nase und sagte: »Mena«, und dann berührte sie die Schnauze der Kreatur und sagte deutlich: »El-yaaaa.« Nichts. Wobei Mena selbst nicht wusste, was sie erwartete, das ihr hätte zu verstehen geben können, dass Elya den Namen annahm. Sie ging ein paar Schritte von ihr weg, schaute in die Ferne und begann, den Namen zu rufen. Als sie sich umdrehte und die Kreatur erblickte, leuchtete ihr Gesicht vor Freude auf. »Elya! Da bist du ja.«
    Mena benannte ein Ding nach dem anderen, berührte die Erde und Steine und Gras und den Himmel und Mena und Elya. Die Kreatur kniff die Augen zusammen, der erste Ausdruck von Misstrauen, seit Mena sie gefunden und ihren Körper gesäubert hatte.
    »Du glaubst, ich bin verrückt«, sagte Mena. »Vielleicht hast du recht, Elya. Meine Elya. Nicht deine Elya, sondern meine.« Sie fand einen Rhythmus in den Zeilen und wiederholte sie als Singsang. Und noch einmal, und dann hüpfte sie davon und sang sie laut, tanzte, wedelte mit den Armen, als wären sie Flügel. Die Fröhlichkeit übermannte sie förmlich, wie bei einem ernsten Vater, der plötzlich den Narren spielt, um ein Kind zu erheitern. Es klappte.
    Die Kreatur beugte den Hals nach hinten, öffnete das Maul und hustete mehrmals kurz. Ruckartige Wellenbewegungen durchliefen ihren Hals, so stark, dass Mena fürchtete, sie würde ersticken. Doch dann hörte sie auf und sah Mena abermals an, entspannt und fröhlich. Ihre Augen funkelten vor Heiterkeit.
    »Bedeutet das, dass du meine Elya sein wirst? Ja, das wirst du sein. Das bist du bereits. Ich kann es spüren …« Mena tippte sich mit den Fingern an die Brust, hob sie dann zum Schlüsselbein, und dann, als wäre sie sich nicht ganz sicher, welchen Punkt sie meinte, führte sie sie weiter hinauf zu ihrem Kopf und tippte sich mit einem Finger gegen die Schläfe. »Ich kann es in mir spüren. Du bist hier.« Sie tippte sich erneut gegen die Schläfe. »Wie kann das sein?«
    Wie immer gab die Kreatur keine Antwort. Doch Mena brauchte auch keine. Sie wusste es. Elya war Elya. In dieser Nacht schliefen sie so dicht nebeneinander, dass sie einander hätten berühren können, und am nächsten Morgen erwachte sie mit dieser merkwürdigen Zufriedenheit tief in ihrem Herzen neben Elya. Sie saß da und ließ den Anblick der Sonne auf sich wirken, die gerade im Osten aufging. Der Rest der menschlichen Welt schien tatsächlich weit weg zu sein, wunderbar weit weg …
    Was das anging, irrte sie sich.
    Elyas Kopf ruckte empor, aller entspannter Schlummer war binnen eines Augenblicks dahin. Sie starrte über Mena hinweg nach Norden, neigte den Kopf erst zur einen und dann zur anderen Seite, lauschte auf irgendetwas. Mena beruhigte die Kreatur mit ein paar beschwichtigenden Worten und besänftigenden Handbewegungen. Sie forderte sie auf, sich nicht vom Fleck zu rühren, und dachte aus einer plötzlichen Eingebung heraus dieselbe Anweisung ein zweites Mal. Sie verstand es wirklich nicht, aber sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie Elya ihre Gedanken übermitteln konnte – keine Worte oder Sätze, sondern die Bedeutung. Das war es, was sie ihr stumm zu vermitteln versuchte. Bleib hier.
    Als es schien, als ob Elya das tun würde, drehte Mena sich um und rannte den Hügel hinauf, um einen besseren Überblick zu haben. Sie erklomm die Kuppe – und ließ sich flach auf den Bauch fallen, als die hügelige Landschaft auf

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