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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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entfaltete ihre Flügel mit der Geschwindigkeit zweier schnalzender Peitschen. Die Muskeln in ihrem Hals versteiften sich zu stählerner, fließender Härte. Ihre Brust dehnte sich unter einem gewaltigen Einatmen, und dann schlug sie mit den Flügeln abwärts, als wollte sie die Erde zerschmettern. Sie waren in der Luft. Die Wucht diese Emporschnellens drückte Mena gegen Elyas Rücken und raubte ihr den Atem. Sie umklammerte den Hals der Kreatur, und während sie dahinschwebten, versuchte sie, so viel Luft zu holen, dass sie sprechen konnte. Sie sah, wie nahe Melio daran war, mit einem einzigen Befehl alles zu verderben. Noch immer bekam sie nicht genug Luft, und so formte sie mit ihren Lippen die ersten Worte, die ihr in den Sinn kamen, und hoffte, dass er sie sehen und verstehen würde.
    Stumm sagte sie: »Ich liebe sie.«

26

    Eines frühen Abends lag Kelis irgendwo im südlichen Talay auf dem Rücken und starrte zu den Sternen hinauf, noch immer erstaunt, wie plötzlich und unerwartet sein Leben eine neue Richtung genommen hatte. Er hatte die Ereignisse zwar durchlebt, im Geist jedoch hatte er sie noch längst nicht richtig verarbeitet. Er war nach Bocoum gerufen worden, um sich dort mit Sangae und Sinper Ou zu treffen. Damals war noch alles normal gewesen. Er hatte es genossen, an Naamens Seite zu der Stadt zu laufen. Auf eine unbestimmte Weise, über die er nicht allzu eingehend nachdenken wollte, hatte es ihn daran erinnert, wie er damals mit Aliver gelaufen war, als sie beide noch jung gewesen waren und vor Lebenskraft strotzten. Und dann war er Ioma Ou und Benabe begegnet. Und Shen. Alivers Tochter. Danach war nichts mehr so gewesen wie vorher.
    Er fühlte sich immer noch ganz benommen. In ihren Gesichtszügen sah er, dass Aliver weiterlebte. Natürlich war sie nicht er. Sie war Shen. Doch etwas von Aliver blickte aus ihren Augen. Er konnte es nicht leugnen, und er wollte es auch gar nicht leugnen. Sie war nur ein kleines Mädchen, doch er hatte das Gefühl, als seien seine Bestimmung im Leben und alle seine Loyalitäten in die Luft geschleudert worden, als er ihr begegnet war. Und sie waren immer noch nicht wieder auf dem Boden angekommen.
    Und er war auch noch nicht dahintergekommen, warum die verschiedenen Beteiligten sie zu ihm gebracht hatten. Sangaes Beweggründe waren über jeden Zweifel erhaben, die Ous jedoch waren anders geartete Wesen, mit anders gearteten Zielen. Kelis hatte gespürt, dass Sinper die Kontrolle über das Mädchen nicht verlieren wollte, auch wenn er sich dem Plan in Kelis’ Gegenwart nicht widersetzt hatte. Und er war sich sicher, dass Sinper sie niemals hätte gehen lassen, wäre nicht die mythische Ehrerbietung den Santoth gegenüber gewesen, die alle Talayen empfanden. Nein, er hätte gewiss eine Möglichkeit gefunden zu behaupten, dass Shen in seinem Haus sicherer sei. Und was dann? Hatte er möglicherweise vor, das Mädchen bei einem Tanz um den Thron ins Spiel zu bringen? Warum wollten reiche Männer immer noch mehr?
    Um Shen den Thron erringen zu lassen, würde man eine Armee brauchen, einen allumfassenden Krieg gegen Corinns Macht. Das hätte das Ganze unwahrscheinlich erscheinen lassen müssen, zerstörerisch, wahnsinnig, doch stattdessen erfüllte der Gedanke ihn mit Furcht. Alle Talayen würden im Namen von Alivers Kind kämpfen. Auch wenn sie ein Mädchen war, auch wenn sie unehelich geboren war: Keine dieser Tatsachen würde die Menschen davon abbringen. Wenn sie glaubten, dass Shen Alivers Kind war, würden sie kämpfen. Sie würden sagen, dass sie Talayin sei, und dass ihr Triumph der Triumph der Menschen von Talay sein würde. Der Wahnsinn würde vielleicht von Neuem beginnen. Aus diesem Grund war Kelis froh, das Mädchen der Kontrolle der Ous zu entziehen.
    Sie verließen Bocoum bereits am folgenden Tag. Ioma hatte ihnen einen kleinen Trupp Wachen angeboten, die sie begleiten sollten, aber Kelis hatte eingewandt, dass sie umso unauffälliger reisen könnten, je weniger sie waren. Sangae wollte, dass Naamen Shen und ihre Mutter begleitete. Als Shen diesem Vorschlag zustimmte, war die Größe der Gruppe damit beschlossen. Sie legten Kleider und Schmuck und alles andere ab, was auf ihre wahre Identität hätte hindeuten können, und kleideten sich stattdessen wie eine Familie von Wanderarbeitern.
    Zuerst gingen sie zu einem Warenlager im Osten und buchten dort eine Deckspassage auf einem Fischerboot, das auf der Suche nach Gelben Klippdorschen um die Teh-Küste

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