Acacia 02 - Die fernen Lande
Arbeitszimmer teilgenommen. Sie erstarrte bei dem Anblick, der sich ihr bot, und während sie sich suchend nach ihrem Sohn umblickte, sah sie Mena und Melio und eine Schar Marah-Soldaten gegen ein paar Numrek kämpfen. Etliche Marah waren bereits tot, und die Leichen von drei Numrek lagen in der Arena. Die verbliebenen drei waren grölende Wirbelwinde. Ihre gekrümmten Schwerter zuckten um sie herum, ihre langen Haare flogen, wenn sie die Köpfe von einem Gegner zum anderen wandten. Doch wo war Aaden? Sie konnte Aaden nicht sehen. Er musste hier sein. Er musste … und dann entdeckte sie den kleinen Leichnam, der mit dem Gesicht nach unten im Gras lag, und ihr entschlüpfte ein langes Ahhh . Er war so winzig. Wie eine Puppe.
Oh, Aaden.
Als sie seinen Namen in ihrem Kopf sagte, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Der Name passte nicht zu dem Leichnam. Das war nicht Aaden. Die Gestalt hatte etwas längere Gliedmaßen als Aaden. Sie war dunkelhaarig, während Aaden blond war. Es war Devlyn .
»Sucht den Prinzen! Sucht ihn, sofort!«, rief sie. Der Befehl kam von etwas, das den unbedingten Lebenswillen anzapfte, etwas, das sehr viel größer war als sie.
Während die Marah die Stufen hinunterstürmten und nach beiden Seiten ausschwärmten, nach dem Prinzen riefen, ihn zwischen Sitzreihen suchten, richtete Corinn den Blick wieder auf den immer noch andauernden Kampf. Ihre Schwester war dort unten, winzig im Vergleich zu dem Numrek, dem sie gegenüberstand – Greduc, der so oft dicht hinter ihr hergeschritten war. Greduc, der einst mit ausgestrecktem Arm dagestanden hatte, so groß und still wie ein Baum, während Aaden an dem Arm baumelte, und der gegrinst hatte, als die Beine des Jungen in der Luft strampelten. Corinn presste sich die Hand gegen die Brust, und ihr wurde klar, dass sie im Nachhinein Angst hatte, wegen all der Augenblicke, in denen Greduc sie und Aaden in seiner Gewalt gehabt hatte. Er hätte sie beide jederzeit töten können.
Ich bin eine Närrin!, dachte sie.
Zwei Marah hatten sich mit Mena zusammengetan, und alle zusammen bildeten ein Dreieck um Greduc; doch er drehte sich stets so, dass er die Prinzessin vor sich hatte. Mena hielt ein gekrümmtes Numrek-Schwert in beiden Händen. Sie hat noch nie ihre Grenzen gekannt, dachte Corinn, und war augenblicklich entsetzt. Was für ein niederträchtiger Gedanke, befleckt von einem jugendlichen Bedürfnis, ihre Schwester für ihre Arroganz bestraft zu sehen. Sie musste ihre Gedanken unter Kontrolle bringen. Besiege ihn, Mena. Töte ihn, Schwester! Lass ihn sterben, wieder und wieder sterben!
Mena rief Greduc etwas zu, das Corinn nicht hören konnte. Der Numrek antwortete, und was auch immer er sagte, es ließ Mena zögern. Ihr Schwert senkte sich leicht. Sie hob eine Hand, zeigte ihre Verwirrung durch eine Bewegung ihrer nach oben gerichteten Handfläche. Der Numrek reckte das Kinn und spuckte aus. Das beendete die Pause.
Die Angreifer drängten sich näher an den Numrek heran, der brüllend auf die Marah losstürmte, dabei aber immer auf Mena zustrebte. Irgendwie schaffte sie es, zu parieren, sich zu ducken, zur Seite zu schlüpfen. Sie stolperte, kam wieder hoch und schwang die schwere Klinge, schlug Greduc beinahe den Kopf ab – nur gelang es ihm, ihren Hieb abzublocken und gleichzeitig einen Schritt zurückzutreten; dann wirbelte sie in einem Überraschungsangriff zu dem Marah hinter ihm herum und trennte ihm den Arm an der Schulter ab.
Corinn krümmte sich vornüber und übergab sich. Starke Hände packten sie, hielten sie fest. Was war los mit ihr? Ihr Geist war so zerstreut, unordentlich, ziellos. Aaden! Wo war Aaden? Sie ließ den Blick über die Tribünen schweifen. Ihre Wachen rannten darauf entlang, bückten sich, um unter die Sitze zu schauen, eilten die nächste Reihe entlang. Sie suchten, doch sie wusste, dass sie ihn spüren würde, wenn er hier im Stadion wäre. Vielleicht hatte Mena ihn versteckt. Ja, das war es. Sie hatte ihn an einem sicheren Ort versteckt. Corinn machte einen Schritt vorwärts und dachte, sie würde zu dem Chaos dort unten hinuntersteigen und …
»Nein, Euer Majestät«, sagte eine Stimme hinter ihr.
Delivegu schritt die letzten paar Stufen zu ihr herab. Hinter ihm kamen noch mehr Marah, die alle an ihr vorbeirannten, um sich in den Kampf zu stürzen. Rhrenna folgte ihnen, ihren Dolch in der Hand. »Ihr solltet gar nicht so nahe bei dem Kampf sein«, sagte Delivegu. »Wenn einer von ihnen Euch sieht,
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