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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Frage, die offensichtlich an Mór gerichtet war.
    Sie beantwortete sie nicht, sondern sagte stattdessen: »Hier ist etwas, das wir dir noch nicht erzählt haben. Nicht nur die Auldek können keine Kinder mehr gebären. Dasselbe gilt auch für das Volk. Wir leben und sterben, aber wir pflanzen uns nicht fort. Das ist ein weiterer Fluch, den wir euch Akarans zu verdanken haben.«
    Mórs Blick huschte kurz zu Skylene hinüber und richtete sich dann rasch wieder auf ihn. »Fürs Erste hast du genug erfahren. Ich habe eine Aufgabe für dich. Vollbringe sie, und wir werden dir nichts mehr vorenthalten.«
    Dariel war noch immer ganz verdattert vom Ausmaß von Mórs Enthüllung. Es erklärte so viel und schien auf eine Weise grässlich, die er auf Anhieb gar nicht erfassen konnte. Dabei wollte er es erfassen. Er hatte das Gefühl, dass das wichtig war, aber Mór hatte ihm eine Frage gestellt. Sie dachte vermutlich, er zögere, weil er die Antwort abwog. In Wirklichkeit brauchte er überhaupt nicht darüber nachzudenken. Er hatte lange genug gewartet, zugehört, sich versteckt.
    »Sag mir, was es ist«, sagte Dariel.

39

    Corinn war noch nie in ihrem Leben so schnell gerannt. Sie war noch nie wütender und enttäuschter und verzweifelter gewesen, hatte noch nie ein so schreckliches Gefühl der Dringlichkeit verspürt, dass sie am liebsten aus der Haut gefahren und geflogen wäre. Mit beiden Händen hatte sie den Rock ihres Gewandes hochgerafft, damit sie die Beine ungehindert bewegen konnte. Rings um sie herum drängten sich Marah. Den Soldaten wäre es wesentlich lieber gewesen, wenn sie einen festen, unbeweglichen Verteidigungskreis um sie hätten bilden können – ein menschlicher Wall, aus dem Hellebarden und Schwerter ragten wie die Stacheln eines Stachelschweins. Die Königin hielt sie gegen ihren Willen in Bewegung, trieb sie erbarmungslos voran und bedachte sie mit Flüchen und Drohungen. Aaden war in Gefahr. Aaden war vielleicht tot.
    Sie war aus der Geheimkammer in ein von Leichen, Blut und Organen – sowohl von Menschen wie von Numrek – übersätes Arbeitszimmer getreten. Obwohl Sire Dagon sie angefleht hatte, zu bleiben, war sie davongeschritten. Sie musste Aaden finden. Eben noch voller Hoffnung, dann den Tränen nahe, dann wieder vor Wut kochend, wenn ihr Vormarsch von gewalttätigen Szenen unterbrochen wurde, von benommenen Menschen, verwirrten Menschen, die ihr in den Weg gerieten. Sie hasste es, wenn sie ihr im Weg waren! Wenn sie mit blöden Gesichtern und offenen Mäulern herumstanden. Adlige oder Bauern, Junge oder Alte, es spielte keine Rolle. Sie alle bewegten in bedeutungslosem Geplapper die Lippen. Nie hatte sie sie mehr gehasst als jetzt. Mehrere Male brüllte sie sie an, und jedes Mal wichen sie vor ihr zurück wie Schafe vor einem Wolf. Erschrocken. Wenn sie sie daran hinderten, Aaden rechtzeitig zu erreichen, würde sie sie umbringen.
    Als sie eine Rampe hinunter- und anschließend wieder eine kurze Treppenflucht hinaufrannte, trat sie auf den Saum ihres Gewandes und fiel gegen die Männer vor ihr. Hände packten zu, richteten sie wieder auf, berührten sie mit einer Vetraulichkeit, die dem Besitzer dieser Hände noch eine Stunde zuvor zum Verhängnis geworden wäre. Ein Gardist flüsterte ihr respektvoll zu, dass sie vielleicht umkehren sollten, um sie im Oberen Palast in Sicherheit zu bringen. Seine Stimme zitterte, und sie erkannte ihn als einen der Marah, der den Kampf mit ihren Numrek-Leibwächtern in ihrem Arbeitszimmer überlebt hatte. »Dort seid Ihr sicher, Euer Majestät, bis …«
    Als Antwort griff sie ihm an die Taille und zog den schlanken Dolch aus der Scheide, die er am Gürtel trug. »Bist du ein Feigling?«, fragte sie ihn. Danach zu urteilen, wie seine Gesichtszüge erstarrten, musste er geglaubt haben, sie würde ihm gleich die Kehle aufschlitzen. Sie ließ ihn das eine Sekunde lang glauben und säbelte dann am Rock ihres Gewandes herum. Die rasiermesserscharfe Klinge zertrennte die dünnen Stoffschichten. Corinn riss das, was sie abgetrennt hatte, so heftig weg, dass sie sich in den Oberschenkel schnitt. Sie bemerkte es erst ein paar Sekunden später, als das warme Blut aus der Schnittwunde quoll und ihr Bein hinunterrann.
    Als sie den Tunnel erreichte, der ins Carmelia-Stadion führte, hineinstürmte und auf halber Höhe der Ränge wieder ans Tageslicht kam, war sie so schweißnass, blutbefleckt und außer Atem, als hätte sie selbst an dem Gemetzel in ihrem

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