Acacia 02 - Die fernen Lande
versperren. Jedes Mal, wenn er mit dem Finger eine Möglichkeit nachfuhr hineinzukommen, landete er unausweichlich in einer Sackgasse. Zumindest, bis …
»Oho, das ist aber interessant«, sagte Delivegu. »Das ist ja wirklich ausnehmend interessant.«
Er stand in einem ruhigen Bereich des Palastgeländes neben der Mauer. Später würde er nicht mehr sagen können, ob der geheime Eingang übersehen worden war oder ob Corinn zugelassen hatte, dass er offen blieb. Und er konnte natürlich auch nicht fragen. Er vermutete, dass der Tunnel tatsächlich einige Zeit lang verschlossen gewesen war, doch er schien wieder geöffnet worden zu sein, als eine neue Türöffnung in einen einst verschlossenen Lagerraum geschlagen worden war. Vielleicht hatte die Königin nie davon erfahren. Doch das war eine reine Mutmaßung. Was er wusste, war, dass der Tunnel existierte. Genau wie im Diagramm gekennzeichnet, befand sich ein schmaler Spalt im südlichen Stützpfeiler der königlichen Gemächer, ein Spalt zwischen zwei Mauern, gerade groß genug, dass eine Person hindurchschlüpfen konnte. Es war überaus merkwürdig, denn man konnte ein paar Fuß entfernt davon stehen, ohne die Öffnung als das zu erkennen, was sie war. Selbst als er den Kopf hineinsteckte, sah er nichts weiter als eine Mauer vor sich, so dass es schien, als würde die Öffnung nirgendwo hinführen. Das war eine Illusion der Architektur.
Ganz schön verschlagen, dachte Delivegu bewundernd. Er schob sich weiter hinein.
Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, weit zu gehen. Er wollte nur nachsehen und sich vergewissern, dass der Tunnel tatsächlich in den Palast führte. Sollte dem so sein, wollte er sich zurückziehen und überlegen, inwiefern diese neue Information sich als nützlich erweisen könnte. Das war seine Absicht, doch die Neugier trieb ihn immer noch ein Stückchen weiter, erst in jenen Lagerraum, dann einen Durchgang hinunter, und danach noch ein bisschen weiter. Die Steine schwitzten; die Luft fühlte sich muffig an, stickig und schrecklich reglos.
Als er schließlich aus dem Geheimgang in einen prachtvollen Korridor voller Wandbehänge und Teppiche und in gleichmäßigen Abständen aufgestellter lebensgroßer Statuen trat, wusste er, dass er alles erreicht hatte, was er an einem Abend erreichen musste. Er schlenderte ein paar Schritte vorwärts, nur um den weichen, nachgiebigen Teppich unter seinen Füßen zu spüren, um Luft einzuatmen, die leicht mit nach Zitrone riechendem Räucherwerk parfümiert war. Oh, das ist hübsch! Das könnte mir wirklich gefallen. Und die Statuen sahen so echt aus, wirkten so sehr, als wären sie aus Fleisch und Blut, dass er eine Gänsehaut bekam; sie waren gekleidet wie aus allen Ecken des Reiches stammende Krieger der alten Zeiten. Er kam nicht umhin, sie zu bewundern und gleichzeitig ein Spiel daraus zu machen, diese hölzernen Krieger niederzustarren. Einen forderte er sogar zum Duell heraus.
Als er die Stimmen hörte, geriet er zunächst nicht in Panik. Sie waren nicht in diesem Korridor, sondern näherten sich aus einem Gang um die Ecke. Alles, was er tun musste, war, denselben Weg zurückzugehen und wieder in die Wand zu schlüpfen. Der Spalt, durch den er gekommen war, war genau … hier? Nein, da nicht. Nur eine massive Wand. Ein bisschen weiter dort hinten, hinter dem Tisch? Nein, da auch nicht. Die Stimmen gehörten zwei Frauen, und sie kamen näher. Hier? Nein, nichts als Stein! Er konnte den Rückweg in den Geheimgang einfach finden. Überzeugt, dass die Frauen gleich um die Ecke kommen würden, riss er die nächste Tür auf und huschte in das dahinterliegende Zimmer.
Dort bemerkte er als Erstes ein Bett und eine darauf schlafende Gestalt. Während er noch weiterging, wandte er sich dem Bett zu, um sich zu vergewissern, dass der Schläfer nicht aufwachte. Was er sah, ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Dann schlich er sich auf Zehenspitzen an das Bett und sah genauer hin.
Der Prinz!
Einen Augenblick lang überlief es ihn kalt. Wenn er im Schlafzimmer des Prinzen erwischt wurde … Wenn der Junge die Augen aufmachte und schrie …
Die beiden Stimmen wurden lauter. Suchend blickte Delivegu sich um: Er musste ein Versteck finden. Hastig eilte er quer durch den Raum und schlüpfte hinter den Vorhang, der eines der vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster verbarg. Dort war mehr als genug Platz, um sich ungesehen hinzustellen.
Die Tür ging auf, und zwei Dienstmädchen kamen herein; sie redeten
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