Acacia 02 - Die fernen Lande
würde sehr leicht sein, das Ganze einer von Menas Dienerinnen zur Last zu legen, irgendjemandem, der vielleicht zufällig auf die Eier gestoßen war und es jemand anderem erzählt hatte, der oder die es wiederum weitererzählt hatte … etwas in der Art.
»Aus welchem Grund wünscht Ihr eine Audienz bei der Königin?«, fragte Rhrenna und wiederholte die Frage damit zum dritten Mal. Ihr Tonfall war knapp und sachlich, und sie sah ihn mit ihren kalten grauen Mein-Augen an, doch Delivegu wusste es besser.
Sein Lächeln war unerschütterlich, und sein Talent, trotzdem zu sprechen, hatte er oft geübt. »Rhrenna, nun, da ich ein hochstehender Mann bin, fühle ich mich zur Kühnheit verleitet. Wann, mein Schatz, werdet Ihr erwägen, mich besser kennenzulernen? Persönlich, meine ich. Nur wir beide, Ihr und ich. Vielleicht etwas Wein. Gutes Essen und ein lauschiges Plätzchen, wohin man sich zurückziehen kann? Etwas in der Art.«
Rhrenna musterte ihn einen Augenblick, ehe sie antwortete: »Wollt Ihr diese Frage nicht eigentlich der Königin stellen?«
»Äh …« Das hatte er nicht erwartet. Es ließ ihn einen Augenblick lang stutzen, und er fragte sich, ob diese Frage darauf hindeutete, dass die Königin mit ihr darüber gesprochen hatte, oder dass sie ahnte, dass die Königin einem solchen Vorschlag gegenüber nicht abgeneigt sein würde. »Oh … welcher Mann könnte Ihre Hoheit nicht für eine große Schönheit halten? Mir geht es nicht anders. Aber die Königin hätte gewiss kein Interesse an mir.« Obwohl der Satz eine Aussage war, ließ er ihn offen enden und eher wie eine Frage klingen. Rhrennas Antwort war freimütiger, als er es sich wünschte.
»Ihr habt keine Chance«, sagte sie. »Genießt Eure lüsternen Gedanken über sie, wenn Ihr allein seid, Delivegu. Das ist die einzige Möglichkeit für Euch, Befriedigung zu finden. Ich will Euch nicht kränken. Ich glaube, dass kein Mann außer Aaden – wenn er zum Mann wird – jemals auch nur in die Nähe des Herzens der Königin gelangen wird.«
»Und was ist mit Euch? Würdet Ihr es einmal mit mir versuchen?«
»Es mit Euch versuchen?« Rhrenna lachte. »Oh, Ihr seid ein Schwerenöter, Delivegu. Es mit Euch versuchen …« Sie drehte sich um und befasste sich wieder mit den Papieren auf ihrem Schreibtisch.
Nun, das ist nicht besonders gut gelaufen, dachte er. Er legte sich gerade eine geistreiche Bemerkung zurecht – etwas, womit er sie abtun und jegliche Anerkennung der Tatsache zurückweisen würde, dass sein beiläufiges Gehabe als Genussmensch Schaden genommen haben könnte –, als sie fortfuhr.
»Ja, ich würde es wohl mit Euch versuchen«, gab sie zu. Sie schaute ihm in die Augen. »Ich finde, Ihr riecht ziemlich gut.«
Niemals zuvor war die Erwähnung seines Körpergeruchs so ein belebender Tritt ins Gemächt gewesen. Sie ließ ihn gegenwärtig allerdings nicht dabei verweilen. »Noch einmal«, sagte sie, und ihre Stimme hatte wieder den üblich knappen, offiziellen Tonfall, »aus welchem Grund wünscht Ihr eine Audienz bei der Königin? Wenn Ihr mir jetzt nicht antwortet, müsst Ihr gehen.«
Es macht ihr Spaß, schlagartig das Thema zu wechseln. Schön. Ich werde mich nicht beklagen. Tatsächlich hätte Delivegu schnurren mögen, so sehr genoss er seine Position. »Noch einmal, ich habe Informationen für sie«, sagte er. »Neuigkeiten, die sie möglicherweise sehr, sehr interessant finden wird. Ich habe erfahren, dass etwas Wichtiges im Begriff ist … auszuschlüpfen. Vier wichtige Dinge, genauer gesagt. Vier Dinge, die jemand vor der Königin verborgen gehalten hat.«
44
Das Werkzeug war zierlich, schmal, kunstvoll gefertigt und leicht geschwungen; das eine Ende war beschwert und zu einem Griff geformt. Das andere Ende war geschwärzt und nadelspitz. Dariel wusste sofort, was es war. Er hatte die letzten Tage damit verbracht, grob gezeichnete Karten von Ushen Braes Küste zu studieren, sich körperlich wieder in Form zu bringen und Tunnel und Skylene und den anderen, die seine Mannschaft sein würden, seemännische Konzepte und Begriffe zu erklären. Das hier jedoch kennzeichnete die letzte Stufe der Vorbereitungen. Danach würde seine Mission beginnen.
»Dann … dann meinst du das also ernst? Du willst mich tätowieren?«
Mór sah ihn mit zusammengekniffenen Augen über das Werkzeug hinweg an. »Ohne irgendwelche Male fällst du unter dem Volk auf wie eine Missgeburt.«
Mit schief gelegtem Kopf setzte Dariel dazu an, diese
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