Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
Vom Netzwerk:
auf den Kopf stellen. Er würde den Nebel wegblasen, so wie der Wind den morgendlichen Dunst vertreibt. Er würde Feuer an die Schiffe der Gilde legen und die Numrek vertreiben, und – und das war am wichtigsten – er würde unsere Kinder nie mehr in die Sklaverei verkaufen … oder was auch immer sie auf der anderen Seite der Grauen Hänge erwartet. Ich war nicht der Einzige, der das alles gehört hat. Viele sind damals vom Nebel losgekommen, aber« – er lächelte, klopfte sich gegen die Schläfe – »dieser Kopf hier ist größer als die meisten anderen. Er ist wie eine Glocke, die lauter klingt als alle anderen, und daher habe ich Dinge klar und deutlich gehört, von denen andere nur Andeutungen mitbekommen haben.«
    Und er hatte das alles verschlungen, gab er zu. Er war ausgehungert, was solche Möglichkeiten anging. Er hungerte danach, sie glauben zu können. Warum auch nicht? Er erinnerte sich an alles, was er gehört hatte, und er gewöhnte sich an, es jenen zuzurufen, die um ihn herum arbeiteten. Während der Essenszeiten sprach er zu versammelten Gruppen, während sie mit gesenkten Köpfen dasaßen und versuchten, ihn nicht zu beachten. Er brüllte in den Tunneln und wetterte von der Leiter, wenn er sie hinauf- oder hinunterkletterte. Anfangs achtete niemand auf ihn. Die Wachen bestraften ihn manchmal, aber sie hielten ihn auf harmlose Weise für verrückt. Langsam, ganz langsam jedoch, stellten mehr und mehr andere fest, dass ihre Nebelträume sich in Albträume verwandelten. Blicke begannen ihm zu folgen. Schmutzige Gesichter schauten vom Essen auf, wenn er sprach. Und schließlich kamen die Massen zu ihm, gierten nach Alivers Botschaft. Er gab sie ihnen und spürte, wie die Hoffnung in ihnen erwachte. Tausende und Abertausende, die ihre Augen mit neuer Klarheit öffneten, begierig auf die Zukunft.
    »Mein erster Fehler war, dass ich zu laut gerufen habe. Die Menschen haben mich gehört, oh ja, aber auch die Ohren von Hanish Mein. Und als wir uns wütend erhoben haben, hat er zugeschlagen, mit einem Hagel aus Pfeilen und Feuer, mit stählernen Klingen und unbeugsamem Zorn. Was sollten wir – deren einzige Waffe die Hoffnung war – gegen die Macht eines Reiches ausrichten? Das war mein erster Fehler. Es wäre auch mein letzter gewesen, hätte Aliver nicht seinen Krieg begonnen.«
    Als der Prinz das tat, musste Hanish seine Aufmerksamkeit auf diese größere menschliche Horde richten, die durch Talay auf ihn zumarschiert kam. In dieser chaotischen Zeit gelang es Barad, aus den Minen zu fliehen, doch er war zu weit weg, um sich Aliver anzuschließen, ehe der Prinz fiel. Er hatte seinen Prinzen niemals gesehen, doch er spürte den Augenblick, in dem Alivers Stimme zum Schweigen gebracht wurde.
    »Das war ein tragischer Tag, Freunde«, sagte Barad und atmete heftig aus. Er ließ zu, dass der Schmerz sich auf seinen Gesichtszügen abzeichnete. Er wusste, dass dies ein Rednertrick war, aber in diesem Fall war es ehrlich. Es schmerzte, sich an den Moment zu erinnern, als das Flüstern in seinen Ohren erstarb. Er hatte seither keinen größeren Verlust empfunden. Und er wurde immer noch oft daran erinnert – so sehr, dass er manchmal erstarrte und mit vorgeneigtem Kopf lauschte.
    Er machte mit seiner Rede weiter, sprach über die Nachwehen des Krieges. Die einfachen Leute hatten damals nur in unregelmäßigen Abständen Verbindung zueinander, und Barad zog umher, hielt sich von den Minen fern. Er fand ein wenig Freude darin, wandern zu können, wohin er wollte, doch er hatte noch keine rechte Vorstellung davon, welche Aufgabe noch auf ihn wartete. Wie alle anderen brauchte er einige Zeit, bis er wusste, was er von dieser neuen Königin halten sollte. Was für eine Schönheit, sagten die Leute. Und wie schlau, Hanish Mein zu überlisten, die Numrek gegen die Mein einzusetzen, und die Gilde irgendwie davon zu überzeugen, Hanish nicht weiter zu unterstützen. Im ersten halben Jahr ihrer Herrschaft wurde sie vom ganzen Volk bewundert. Aliver wurde augenblicklich zu einer Legende; sie wurde zu seiner Erbin, eine lebendige, weibliche Verkörperung der Ideale ihres Bruders, der den Märtyrertod gestorben war. Er hatte nicht überlebt, sie jedoch schon – das bedeutete, dass es immer noch Hoffnung gab.
    »Aber so war es nicht, oder?«
    Ein Chor von Stimmen bekundete Zustimmung.
    »Die Königin ist nicht ihr Bruder«, sagte ein Mann, »ganz und gar nicht, außer dass sie den gleichen Namen tragen, und das

Weitere Kostenlose Bücher