Acacia 02 - Die fernen Lande
ist nichts.«
»Sie ist eine Schlange«, fügte eine Frau hinzu. »Hat uns mit Leib und Seele verkauft; sie ist die Schlimmste von allen.«
Barad ließ diese Bemerkungen wirken und wartete noch ein paar andere ab. Diese Menschen brachten genug Selbstvertrauen auf, um etwas hinzuzufügen, zustimmend zu brummen und zu nicken. So war es normalerweise immer. Es dauerte nie lange, bis sie begriffen, dass sie ihm vertrauen konnten. Warum auch? Alles, was er sagte, war wahr. Er ließ sie ein paar Minuten untereinander reden. Als sie damit aufhörten, sagte Barad: »Nun, diese Geschichte ist keine Geschichte, oder? Sie ist kein Phantasieprodukt, kein Einfall eines Geschichtenerzählers. Jedes Wort davon ist wahr, und ich glaube, ihr alle wisst das.«
Brustklopfen und Rufe zeigten, dass sie es wussten.
»Und bei euch ist es auch nicht anders. Vielleicht unterscheiden sich manche Einzelheiten, ja, aber der Kern ist der gleiche. Ihr Leute von der Küste, ihr wart einst stolz. Trotz all seiner Gefahren habt ihr auf dem Ozean gefischt. Ihr wisst das besser als ich. Aber mit Corinn als Königin seid ihr binnen einer einzigen Generation von Fischern auf den Grauen Hängen zu Getreidebauern geworden. Das ist wirklich Zauberei. Versteht mich nicht falsch. Wir müssen auch Getreide säen und ernten. Ich will damit keineswegs sagen, dass diese Arbeit unter eurer Würde ist. Es ist einfach nur so, dass jedes Volk, das geboren wird, weiß, was es ist, und es weiß auch, was es am besten kann, es kennt die Arbeit seiner Väter und Mütter, es kennt die Arbeit, die die seiner Söhne und Töchter sein wird. So war es hier in Nesreh viele Generationen lang. Aber so ist es hier nicht mehr. Stattdessen packt ihr Lagerhäuser voll Getreide und verschifft es zu den Inseln der Verlorenen – dorthin, wo sie im Tausch gegen großen Reichtum in den Taschen der Gilde und den Schatztruhen der Akarans unsere Kinder als Sklaven züchten. Im Tausch gegen die Droge, von der sie glauben, dass sie uns unsere eigene Versklavung nicht bemerken lässt. Habe ich recht?«
Ein paar seiner Zuhörer bestätigten ihm, dass er recht hatte, doch sie waren nicht alle überzeugt. Wie konnten sie wissen, was da draußen vorging?
»Ich verstehe, dass es schwierig ist, von all diesen Dingen überzeugt zu sein. So viel wird sowohl euch wie mir vorenthalten. Aber ich glaube, wir sind uns alle einig, dass man Königin Corinn eines Tages vielleicht als größeres Übel betrachten wird als Hanish Mein. Viele glauben das jetzt schon. Aber jetzt sehe ich Furcht in einigen von euren Gesichtern. Wie kann ich so etwas sagen?, fragt ihr euch. Das ist ein Verbrechen, und dadurch, dass ihr es hört, werdet ihr zu Mittätern. Ich sage, das ist nicht wahr. Wenn ihr mir nicht zustimmt, habt ihr kein Verbrechen begangen. Wenn ihr mir zustimmt, habt ihr nichts weiter getan als die Wahrheit anzuerkennen. Und auch das ist kein Verbrechen.«
Barad war von der erhöhten Plattform heruntergestiegen, auf der er gestanden hatte, und schritt jetzt durch die Menge. Er ging langsam, schob sich sanft zwischen den Menschen hindurch, die er alle um einen Kopf überragte. Wenn er an diesem Punkt angekommen war, wollte er gerne ihre Gesichter sehen, und er wollte, dass sie das seine sehen konnten. Außerdem senkte er die Stimme ein wenig. Im Lagerhaus wurde es still, Köpfe drehten sich, um ihn mit Blicken zu folgen, als er weiterging.
»Ich will, dass ihr mit mir zusammenarbeitet, um die Welt so zu machen, wie Aliver Akaran sie sich für uns erträumt hat. Das ist Verrat, das weiß ich, aber ich lade euch alle ein, gemeinsam mit mir zum Verräter zu werden. Wie kann ich euch trauen? Ich will ehrlich zu euch sein – ich stelle mir diese Frage selbst jeden Tag aufs Neue. Das Ziel, das ich habe – das wir haben, wenn ihr euch mir anschließt –, ist voller Gefahren. Jeder von euch könnte der Spion sein, der unsere Sache verrät. Einer von euch … einer von euch würde schon reichen. Also – wie kann ich euch trauen?«
Er blieb vor einer Frau in mittlerem Alter stehen, nahm ihre Hand zwischen seine riesigen Handflächen. Er konnte die Mühsal an ihr riechen, den Schweiß und Dreck von der Arbeit, die sie getan hatte, bevor sie zu diesem Treffen gekommen war, den fast sauren Geruch von Getreidestaub, der in jeden Faden ihrer einfachen Kleidung eingewoben war. Er sprach, als spräche er ganz allein zu ihr.
»Ich vertraue dir, weil ich muss. Wir können das hier nur gemeinsam tun. Nur
Weitere Kostenlose Bücher