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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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und sein zerschlagenes Gesicht.
    »So ist‘s gut, Ravi. Komm«, flüsterte sie und zog ihn wieder zwischen die anderen Kinder. »Es ist besser, wenn sie dich nicht sehen. Sie lassen mich nicht gehen. Das weißt du doch, und wenn du sie weiter auf dich aufmerksam machst, trennen sie uns vielleicht voneinander. Ich will nicht allein sein, Ravi.«
    Das wollte er auch nicht. Er ließ sich von ihr in die Menge ziehen, und sie schoben sich zwischen die anderen, bis sie nur noch zwei Kinder unter vielen waren. Nun, da er nicht mehr für Aufregung sorgte, unterschieden er und seine Schwester sich kaum von den anderen. Als er sich umschaute, sah er ein paar Gesichter aus dem benachbarten Dorf. Die Übrigen waren Fremde, doch nach ihrer Kleidung, ihrem Verhalten und ihren angstvollen Blicken zu urteilen, waren sie das Gleiche wie er und Mór: Bauernkinder aus dem fruchtbaren, aber abgelegenen Landstrich nördlich der Seenplatte. Sie waren in der Nähe einer Stadt, in der er noch nie gewesen war, zusammengetrieben worden. Jetzt waren sie wie eine Herde Schafe in einem Pferch, die von rot gekleideten Wölfen zusammengehalten wurden.
    Wie viele von ihnen waren hier? Hunderte, dachte Ravi. Manche höchstens sieben oder acht Jahre alt, manche auch schon dreizehn wie er und seine Zwillingsschwester. Alle blickten sich ängstlich um und flüsterten oft mit denen, die neben ihnen standen, versuchten, zu verstehen, was hier geschah. Viele hatten tränenüberströmte, verschmierte und schmutzige Gesichter. Die meisten waren hellblond, ihre Gesichter glatt und blass. Fremde lachten manchmal über ihre eng beieinander stehenden, tief liegenden Augen und hielten sie für teilnahmslos und schwer von Begriff. Aber sie waren nicht schwer von Begriff. Und sie waren auch nicht teilnahmslos. Sie lebten nur so weit im Norden, dass sie von den Geschehnissen in der Bekannten Welt oft nicht berührt wurden. Das hatte sich schlagartig geändert, begriff Ravi, und die Veränderung kam ihm schon jetzt unwiderruflich vor.
    Eng aneinandergedrückt setzten sich die Geschwister inmitten der anderen auf den Boden. Mór wischte Ravi mit dem Ärmel das Gesicht ab und wies ihn an, den Kopf zu heben. Missmutig tat er wie geheißen, ließ es zu, dass sie sich um ihn kümmerte, doch er konnte ihr immer noch nicht in die Augen sehen, obwohl er wusste, dass sie genau das wollte. Noch hatte er kein einziges Mal geweint, und er fürchtete, dass sich das ändern könnte, wenn er sie ansah. Ihr Gesicht erinnerte ihn nur allzu deutlich an all das, was verloren war.
    Noch vor ein paar Tagen hatte Ravis Welt sich an dem hügeligen Gebiet aus Ackerland und Moor bemessen, das sich rund um sein Dorf nördlich von Luana erstreckte. Das Haus seiner Familie stand auf einem Hügel, umgeben von Feldern mit roten süßen Kartoffeln, die zu den wichtigsten Feldfrüchten dieser Region zählten. Ringsum waren die Häuser ihrer nächsten Nachbarn am Horizont zu sehen, jeweils vielleicht eine halbe Meile voneinander getrennt. Eine einsame Landschaft, über der jeden Morgen Dunst lag und wo es an den meisten Tagen kühl blieb, ganz gleich, in welcher Jahreszeit. Er hatte ein ruhiges Leben geführt, hatte jeden Tag geschuftet, um all die Arbeiten zu erledigen, von denen ihre vierköpfige Familie auf bescheidene Weise lebte.
    Sein Vater war ein ruhiger Mann mit großen Händen, der wegen einer Verletzung in seiner Jugend ein wenig hinkte. Seine Mutter hatte absurd schiefe Zähne, die sie oft zeigte, denn sie würzte die Worte, die aus ihrem Mund kamen, stets mit einem Lachen. Er wusste, dass seine Mutter zwei Kinder bei der Geburt verloren hatte, ehe sie ihn und Mór bekommen hatte. Das war nicht ungewöhnlich. Vielleicht war sie ja eigentlich traurig hinter all dem Lachen, aber sie achtete sorgsam darauf, dass Ravi niemals etwas davon merkte.
    Er hatte davon geträumt, alldem zu entfliehen und nach etwas zu suchen, das aufregender war: auf einem Handelsschiff zu segeln oder der Garde beizutreten, die gelegentlich in den Provinzen patrouillierte, oder das Pferd eines Nachbarn zu stehlen und einfach in die Welt hinauszureiten. Jetzt hatte er Aufregung – aber nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.
    Die Männer in den roten Umhängen waren in den dunklen Stunden gekommen, lange nach Einbruch der Nacht und ebenso lange vor Sonnenaufgang. Ravi hatte das Klopfen an der Tür gehört, und gleich darauf das Grummeln seines Vaters, und dann hatte er dem Quietschen der Tür gelauscht, und

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