Accelerando
erklären? »Du hast mich
sicher nicht hierher verschleppt, um mir das zu sagen«, bemerkt
er und deutet damit an, dass er das Thema wechseln will.
Amber lässt ihn los und zieht sich zurück, fast so, als
wäre sie vor ihm auf der Hut. »Worauf willst du
hinaus?«, fragt sie.
»Es läuft nicht so wie vorgesehen?« Halb ist es
eine Frage, halb eine Feststellung. »Haben wir schon
Kontakt?«
»Tja.« Sie verzieht das Gesicht. »Im Louvre
befindet sich jetzt eine Handelsdelegation von Aliens, das ist das
Problem.«
»Eine Handelsdelegation von Aliens.« Er lässt sich
die Worte auf der Zunge zergehen, als wolle er sie kosten. Nach den
leidenschaftlichen Worten, die ihm bis eben auf der Zunge lagen, die
er jedoch nicht aussprechen wollte, empfindet er diese anderen Worte
als paradox, kalt und schwer zu verdauen. Doch er ist selbst schuld
an der neuen Situation, schließlich hat er den Themenwechsel
vorgeschlagen.
»Es ist eine Handelsdelegation«, sagt Amber. »Das
hätte ich vorhersehen müssen. Ich meine, wir wollten ja
selbst durch den Router irgendwohin gelangen, nicht wahr?«
Er seufzt. »Davon sind wir jedenfalls ausgegangen.« Ein
schnelles Anzapfen der Kontrollsysteme dieses Universums bringt ihn
zu der Überzeugung, dass er bestimmte Dinge veranlassen kann. Er
lässt einen Lehnstuhl Gestalt gewinnen und streckt sich darin
aus. »Ein Netzwerk von Routern, die Wurmlöcher punktgenau
miteinander verbinden; sich selbst reproduzierende
Kommunikationszentren in den Umlaufbahnen der meisten Braunen Zwerge
dieser Galaxie – so stand es auf dem Plan, das hatten wir
erwartet, stimmt’s? Begrenzte Bandbreite, nicht sonderlich
nützlich für eine ausgereifte Superintelligenz, die die
frei verfügbare Masse des Sonnensystems ihrer Herkunft in
Computronium verwandelt hat, aber ausreichend, um dieser
Superintelligenz Gespräche mit ihren Nachbarn zu erlauben.
Gespräche, die mittels eines Austauschs von Netzwerkpaketen in
Echtzeit geführt werden können und die nicht durch
Lichtgeschwindigkeit begrenzt sind. Vielmehr wird die Verbindung
dabei durch einen gemeinsamen Referenzrahmen gewährleistet, der
zwischen den Netzwerksprüngen stets latent vorhanden
ist.«
»Das trifft’s in etwa«, bestätigt Amber von
dem aus Rubinen gemeißelten Thron aus, der neben ihm steht.
»Nur wartet jetzt eine Handelsdelegation auf uns. Die kommen
sogar schon an Bord. Und ich nehme ihnen diese Geschichte nicht ab
– irgendetwas ist faul daran.«
Pierre runzelt die Augenbrauen. »Du hast Recht, es ergibt
keinen Sinn«, sagt er schließlich. »Es ergibt
überhaupt keinen Sinn.«
Amber nickt. »Ich hab eine Aufzeichnung meines Vaters dabei.
Er ist wirklich bestürzt darüber.«
»Hör auf deinen Alten.« Pierres Lippen zucken, aber
es ist ihm keineswegs zum Lachen zumute. »Wir wollten durch
Alices Spiegel springen, aber es sieht ganz so aus, als wäre uns
jemand zuvorgekommen. Die Frage ist nur, warum?«
»Mir gefällt das gar nicht.« Als Amber die Hand zur
Seite streckt, greift er danach. »Und dann ist da noch diese
Klage. Wir müssen den Prozess möglichst bald über die
Bühne bringen.«
Er lässt ihre Finger los. »Es wäre mir wirklich
sehr viel lieber gewesen, wenn du mich nicht zu deinem
Vorkämpfer ernannt hättest.«
»Still.« Die Szenerie wechselt. Ambers Thron ist
verschwunden. Stattdessen sitzt sie jetzt auf seiner Stuhllehne, fast
auf ihm drauf. »Hör mal, ich hatte einen guten Grund
dafür.«
»Einen guten Grund?«
»Du hast die Wahl der Waffen, kannst sogar das Gebiet
wählen, in dem der Kampf ausgetragen werden soll. Hier
geht’s nicht einfach darum, einen Gegner mit dem Schwert
niederzumachen, bis er tot ist.« Sie grinst spitzbübisch.
»Bei einem Rechtssystem, das wirtschaftliche
Interessenskonflikte durch den juristischen Zweikampf zu lösen
sucht, geht es – im Gegensatz zu einem Rechtsystem, in dem ein
Richter das Urteil fällt – ja gerade darum herauszufinden,
wer der Gesellschaft bessere Dienste leistet und deswegen eine
Vorzugsbehandlung beanspruchen kann. Es wäre verrückt, auf
die Lösung wirtschaftlicher Interessenskonflikte dasselbe
Rechtsmodell anzuwenden, das wir zur Beilegung persönlicher
Streitigkeiten benutzen. Insbesondere wenn wir berücksichtigen,
dass die meisten Wirtschaftsunternehmen inzwischen nur noch
Software-Abstraktionen gewisser Wirtschaftsmodelle darstellen. Den
gesellschaftlichen Interessen ist besser durch ein System gedient,
das wirksame Handelsaktivität fördert, als
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