Accelerando
drei Filmversionen und die spätere Serie von thematisch
entlehnten Romanen sofort durchforsten. Als sie die Suchergebnisse in
ihren Speicher integriert, läuft ihr ein eiskalter Schauer
über den Rücken.
»Igitt. Das ist keine besonders schöne Vision. Erinnert
mich an« – sie schnippt mit den Fingern und versucht sich
den Lieblingscomic ihres Vaters ins Gedächtnis zu rufen –
»an Dilbert.«
»Faschismus mit freundlicher Maske«, sagt Sadeq.
»Es spielt keine Rolle, wer dabei das Sagen hat. Ich könnte
Ihnen Geschichten von meinen Eltern erzählen, Geschichten davon,
wie es ist, während einer Revolution aufzuwachsen. Niemals
Selbstzweifel zu hegen ist Gift für die Seele. Und diese Aliens
möchten uns ihre Gewissheiten, ihre dogmatischen Auffassungen
überstülpen.«
»Ich glaube, wir sollten mal nachsehen, wie es Pierre
geht«, sagt Amber laut. »Ich möchte auf keinen Fall
erleben, dass sie ihn infizieren.« Sie grinst.
»Schließlich ist das Infizieren mein Job.«
Donna, die Journalistin, hält sich überall gleichzeitig
auf, was sehr praktisch ist: Wenn man beide Seiten zur gleichen Zeit
interviewen kann, bürgt das für eine ausgewogene
Berichterstattung.
Im Augenblick hält sich eine Verkörperung von ihr
zusammen mit Alan Glashwiecz in der Bar auf. Offenbar hat Glashwiecz
noch nicht gemerkt, dass er der durch Alkohol bedingten Dehydrierung
nach Lust und Laune entgegenwirken kann, deshalb ist er konsequent
damit beschäftigt, sich selbst unter den Tisch zu trinken. Donna
unterstützt ihn dabei. Sie findet es faszinierend, diesen
verbitterten jungen Mann zu beobachten, der seine Jugend einem
außer Kontrolle geratenen Prozess der Selbstvervollkommnung
geopfert hat.
»Ich bin voller Teilhaber der Kanzlei Glashwiecz &
Selbige«, erklärt er bitter. »Ich bin einer der Selbigen, der Verkörperungen von Glashwiecz. Zwar sind
wir alle Partner, aber nur der ursprüngliche, erste Glashwiecz
hat das Sagen. Dieser alte Mistkerl! Hätte ich gewusst, dass als
Erwachsener so etwas aus mir wird, wäre ich
ausgebüchst und hätte mich stattdessen einer Hippie-Kommune
von Globalisierungsgegnern angeschlossen.« Er leert sein Glas,
beweist damit, dass sein Rachen noch zu schlucken vermag, und
schnippt mit den Fingern, um sich nachschenken zu lassen. »Eines
Morgens bin ich einfach aufgewacht und hab festgestellt, dass mich
mein älteres Selbst zum Leben erweckt hatte. Sagte, er wisse
meine jugendliche Energie und optimistische Haltung zu schätzen,
und bot mir einen Minderheitenanteil mit Aktienoptionen ein, die sich
in fünf Jahren auszahlen würden. Dieser Mistkerl!«
»Erzählen Sie mir mehr darüber«, fordert Donna
ihn mitfühlend auf. »Hier sind wir nun gelandet, gestrandet
bei irgendwie kranken Typen, von denen nicht ein Einziger über
vielfältige…«
»Verdammt richtig.« Eine weitere Flasche Budweiser
taucht in den Händen des Rechtsanwalts auf. »Eben noch
stehe ich in dieser Wohnung in Paris, und ein kommunistisches
Arschloch namens Macx in Transvestitenkleidung und seine schleimige
französische Hure und Managerin setzen mich völliger
Erniedrigung aus. Und im nächsten Augenblick befinde ich mich
auf dem Teppich vor dem Schreibtisch meines alter ego, und er
bietet mir einen Job als Junior-Partner an. Mittlerweile sind
siebzehn Jahre vergangen, und all dieser verrückte Quatsch, den
dieser Kerl – Macx – in die Welt setzen wollte, ist
längst allgemeine Wirtschaftspraxis. Und im Außenbüro
gibt es inzwischen sechs Versionen von mir, die Recherchen betreiben
und die Ergebnisse aufzeichnen, weil ich selbst in Form meines
Senior-Partners niemandem sonst genügend traue, um mit ihm
zusammenzuarbeiten. Das ist wirklich erniedrigend, erniedrigend ist das richtige Wort dafür.«
»Und deshalb sind Sie jetzt hier.« Donna wartet,
während er einen großen Schluck aus der Flasche nimmt.
»Tja. Und es ist besser, als für mich selbst zu
arbeiten, so viel kann ich Ihnen verraten. Die Arbeit als
Junior-Partner ist ja nicht so wie die eines Selbständigen.
Können Sie nachvollziehen, wie es ist, wenn man gelegentlich
Distanz zur eigenen Arbeit entwickelt? Wirklich schlimm wird es, wenn
man sich selbst aus dem Abstand einer halben Gigasekunde weiterer
Erfahrungen heraus von außen sieht und dem neuen Ich nicht nur
die Basis für die Beziehung zum Klienten fehlt, sondern es
darüber hinaus dem eigentlichen Ich wie ein Fremder
gegenübersteht. Also kehrte ich auf die Hochschule zurück
und befasste
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