Accelerando
gereizt
hüstelt, genau beobachtet.
»Sagen Sie’s ihr, Boris.«
Boris stellt seinen Stuhl wieder gerade hin und dreht ihn zur
Königin. »Er hat Recht, Amber. Sie sind Händler, und
nicht gerade schlaue. Ist schwer, ihre Semiotik in den Griff zu
bekommen, solange sie sich hinter dem Hummer-Modell verschanzen, das
wir vor zwanzig Jahren in ihre Richtung übermittelt haben. Aber
es sind ganz bestimmt keine Krustentiere und eindeutig auch keine
Menschen. Oder Transhumane. Ich schätze, sie sind ein Haufen
blöder Hinterwäldler, nur haben sie zufällig ein
Spielzeug in die Hände bekommen, das sehr viel schlauere
Burschen hinterlassen haben. Man kann sie vielleicht mit den Gruppen
der Verweigerer zu Hause vergleichen. Stellt euch vor, die wachen
eines Morgens auf, merken, dass alle anderen in der großen
himmlischen Upload-Region verschwunden sind und ihnen den ganzen
Planeten zur alleinigen Nutzung überlassen haben. Was, glaubt
ihr, werden sie mit dieser Welt anstellen, mit all den technischen
Kinkerlitzchen, über die sie zufällig stolpern? Manche
werden alles, was ihnen unter die Finger kommt, kaputtmachen, doch
andere werden nicht so dumm sein. Allerdings denken sie nur aus
Froschperspektive. Es sind Lumpensammler, Schrotthändler. Was
wirtschaftliche Zusammenhänge betrifft, so kennen sie nur das
Negativsummen-Spiel, bei dem sie andere über den Tisch ziehen.
Sie wollen die Aliens besuchen, um sie auszurauben und ihre Ideen zu
klauen, nicht etwa um sich selbst weiter zu entwickeln und zu einer
neuen Stufe zu gelangen.«
Amber steht auf und geht auf die Fenster vorne an der Brücke
zu. In den schwarzen Jeans und dem sackartigen Pullover hat sie kaum
Ähnlichkeit mit der Königin voller Pracht und Macht, deren
Rolle sie für Besucher spielt. »Wir sind ein großes
Risiko eingegangen, als wir sie an Bord gelassen haben. Ich bin
keineswegs froh darüber.«
»Wie viele tanzende Engel passen auf eine Nadelspitze?«
Sadeq lächelt hinterhältig. »Wir können solche
scholastischen Fragen mittlerweile beantworten. Aber sie merken vielleicht nicht einmal, dass wir mit ihnen ein
Tänzchen aufführen. Das sind nicht die Götter, die Sie
zu finden befürchtet haben.«
»Nein.« Amber seufzt. »Allerdings sind sie auch
nicht so völlig anders als wir. Ich meine, wir sind ja auch
nicht gerade gut an diese Umgebung angepasst, nicht wahr? Wir
schleppen diese Ebenbilder von Körpern mit uns herum und
stützen uns auf simulierte Realitäten, die wir in unsere
menschenartigen Sinnesorgane einspeisen können. Wir sind
Imitationen, keine echten K.I.s – Wo steckt Su Ang?«
»Ich kann sie suchen gehen.« Boris runzelt die
Stirn.
»Ich hab sie nämlich gebeten, die Ankunftszeiten der
Aliens zu analysieren«, fügt Amber hinzu, als wäre es
ihr gerade wieder eingefallen. »Die kommen aus der Nähe,
aus allzu großer Nähe. Und sie sind allzu schnell
aufgetaucht, nachdem wir den Router ausfindig gemacht hatten. Ich
glaube, Ainekos Theorien haben Mängel. Die wirklichen Betreiber
dieses Netzwerks, in das wir uns eingestöpselt haben, benutzen
vermutlich viel komplexere Protokolle zur Kommunikation –
intelligente Informationspakete, um wirksame Kommunikationsports
aufzubauen. Wahrscheinlich liegen diese Wunch auf der Lauer, um
Neulinge auszuplündern. Pädophile, die sich am Schultor
herumdrücken. Und diesen Plan will ich ihnen vermasseln,
während wir gleichzeitig alles daran setzen müssen, Kontakt
mit den wirklichen Betreibern des Netzwerks herzustellen!«
»Es kann sein, dass Ihnen kaum eine andere Wahl bleibt«,
bemerkt Sadeq. »Wenn diese Wesen keinen Durchblick haben, wie
Sie vermuten, bekommen sie vielleicht Angst, sobald Sie in deren
Umfeld eingreifen. Möglich, dass sie dann ausrasten.
Wahrscheinlich wissen die nicht mal, wie diese von Viren verseuchte
Meta-Grammatik entstanden ist, die sie an uns zurückgeschickt
haben. Für sie ist diese Grammatik wohl nur ein Mittel, um
Vertrauen bei nicht sonderlich hellen Aliens zu schinden und leichter
mit ihnen verhandeln zu können. Wer weiß, wo sie die
Grammatik her haben?«
»Eine Grammatik, die als Waffe dient.« Boris dreht sich
langsam herum. »Rüste deine Übersetzungssoftware mit
latenter Propaganda aus, wenn du eine Handelsbeziehung knüpfen
willst, die dir zum Vorteil gereicht. Wie nett. Haben diese Wesen
denn noch nie von Newspeak gehört?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwidert Amber bedächtig
und schweigt kurz, um Agenten loszuschicken, die den Roman 1984, alle
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