Accelerando
mich intensiv mit der Gesetzgebung und Ethik, soweit sie
die Künstliche Intelligenz betreffen. Insbesondere mit der
Rechtsprechung in Fällen des Uploading und zivilrechtlichen
Fragen der Vermögensverteilung und Schadensregulierung bei
mehrfach auftretenden und heraufgeladenen Verkörperungen. Danach
bot ich mich freiwillig dazu an, mich an diesen Ort zu begeben. Mein
Senior-Partner verwaltet immer noch das Vermögen der
Königinmutter, und ich dachte mir…« Glashwiecz zuckt
die Achseln.
»Hat irgendeine Ihrer diversen Verkörperungen da unten
dieses Arrangement angefochten?«, fragt Donna und schickt
Agenten aus, um den Mann aus allen möglichen Perspektiven aufs
Korn zu nehmen. Einen Moment lang fragt sie sich, ob das klug ist.
Glashwiecz ist ein gefährlicher Mensch. Die Macht, die er
über Ambers Mutter hat, der Druck, den er auf sie ausüben
konnte, um seine Vollmachten auszudehnen – all das deutet auf
dunkle Geheimnisse hin. Vielleicht geht es bei den fortwährenden
Klagen der Königinmutter doch um mehr als nur um eine
Familienfehde?
Glashwiecz’ Gesicht ist ein gutes Lehrbeispiel für
Aufnahmen aus unterschiedlichen Perspektiven. »Oh, eine der
Verkörperungen hat sich dazu verstiegen«, sagt er und tut
es kurzerhand ab. Doch eines von Donnas Objektiven hat das
verächtliche Zucken seiner Wange eingefangen. »Hab sie in
meiner Wohnung gelassen, in der Tiefkühltruhe. Ging davon aus,
dass es eine Weile dauern wird, bis es jemandem auffällt. Es
handelt sich ja nicht um Mord – schließlich bin ich immer
noch hier, stimmt’s?, – und ich werde wohl kaum Anzeige
gegen mich selbst erstatten, denke ich. Sowieso würde es sich um
eine zivilrechtliche Klage handeln, wenn eine Verkörperung
meines Ichs wegen dieser von mir begangenen Tat gegen die andere
vorgeht.«
Donna gibt ihm ein weiteres Stichwort: »Die Aliens«,
sagt sie. »Und das juristische Duell. – Welche Haltung
nehmen Sie dazu ein?«
Glashwiecz grinst spöttisch. »Die kleine Schlampe von
Königin kommt ganz nach dem Vater, stimmt’s? Der ist auch
ein Miststück. Ist schon eine üble Sache, dass sie die
Entscheidung durch einen Wettkampf herbeiführen will, bei dem
derjenige, der sich durchsetzt, auch in juristischer Hinsicht den
Sieg davonträgt. Wenn sie dieses Verfahren allzu lange
beibehält, wird es ihre Gesellschaft lahm legen, allerdings
bietet es ihr, kurzfristig gesehen, einen großen Vorteil. Sie
möchte mich damit dazu bringen, mein Leben für einen Handel
aufs Spiel zu setzen. Und ich komme gar nicht erst dazu, meine
Ansprüche ihr gegenüber offiziell geltend zu machen, sofern
ich nicht besser abschneide als ihr Liebling, dieser fahrende
Händler, der Punk aus Marseille. Stimmt’s? Allerdings
weiß er nicht, dass ich ihm etwas voraus habe, nämlich den
vollständigen Überblick über die Situation.«
Erneut greift der angetrunkene Rechtsanwalt zur Flasche. »Ich
kenne diese Katze, müssen Sie wissen. Die Katze hat ein
braunes @-Zeichen an der Seite, stimmt’s? Früher
gehörte sie dem Alten der reizenden Königin, diesem
Mistkerl namens Manfred. Gleich werden Sie verstehen, worum es mir
geht. Ich vertrete im vorliegenden Fall Pamela, die
Königinmutter, Manfreds Ex-Frau. Und sie hat mir die
Schlüsselcodes für die Katze gegeben. Die Zugangskontrolle. Hick. Muss mir nur Zugang zum Katzenhirn verschaffen und mir
dieses verdammte Übersetzungsprogramm schnappen, das sie dem
CETI@home-Mob geklaut hat. Dann kann ich Klartext mit denen
reden.«
Jetzt ist der Rechtsanwalt, der unter einem Zukunftsschock leidet
und dazu noch besoffen ist, nicht mehr zu bremsen. »Ich werde
deren Scheiße in die Hände bekommen und Stück
für Stück auseinander nehmen. In der Demontage liegt die
Zukunft der Industrie, wussten Sie das?«
»Demontage?«, fragt die Reporterin, die ihn hinter der
Maske von Objektivität ebenso fasziniert wie angewidert
beobachtet.
»Teufel noch mal, ja! Derzeit haben wir eine
Singularität, die alles aus dem Gleichgewicht bringt. Und
überall, wo etwas aus dem Gleichgewicht gerät, wird jemand
reich, indem er die Scherben aufsammelt. Hören Sie, früher
kannte ich mal einen gewissen Öko… Ökonomen, tja, er
war Wirtschaftswissenschaftler. Arbeitete für die
Europäische Föderation. War übrigens ein
Gummi-Fetischist. Hat mir von dieser Fabrik in der Nähe von
Barcelona erzählt. Da drinnen hatten sie kein Montageband,
sondern ein Demontageband laufen. An einem Ende rollten teure
Server in ihren Kisten herein.
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