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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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man, wo
man stand, darauf kannst du dich verlassen. Menschen waren wirkliche
Menschen, Arbeit war wirkliche Arbeit und Körperschaften nur
Einrichtungen, die genau das taten, was man ihnen sagte. Und als sie schließlich auf Abwege geriet, war auch das allein seine Schuld, weißt du.«
    »Sie? Meinst du meine, äh, Mutter?« Sirhan wendet
die primäre Aufmerksamkeit wieder Pamelas rachsüchtigem
Geschwätz zu. Bei dieser Geschichte gibt es Aspekte, über
die er nicht genau Bescheid weiß, Gesichtspunke, die er sich
erst noch verdeutlichen muss. Denn nur so wird er sich zufrieden
sagen können, dass es schon seine Richtigkeit hat, wenn sich die
Geldeintreiber daran machen, Ambers Geist zu pfänden.
    »Er hat ihr unsere Katze geschickt. Von allen gemeinen,
niederträchtigen und regelrecht unlauteren Dingen, die er je
getan hat, war das die größte Unverschämtheit. Diese
Katze gehörte mir, aber Manfred hat sie so
umprogrammiert, dass sie Amber auf Abwege geführt hat. Und das
hat bewundernswert gut geklappt. Amber war damals erst zwölf,
also in einem Alter, in dem man leicht zu beeindrucken ist, da gibst
du mir sicher Recht. Ich habe versucht, sie angemessen zu erziehen.
Kinder brauchen moralische Werte, an denen nicht zu rütteln ist,
besonders in einer Welt, die sich so schnell wandelt – selbst
wenn sie eine solche Erziehung während der frühen Jahre
nicht richtig zu schätzen wissen. Selbstdisziplin und
Stabilität: Ohne diese Dinge kannst du als Erwachsener nicht
funktionieren. Ich befürchtete, dass Amber mit all ihren
Upgrades nie richtig erfassen würde, wer sie eigentlich ist,
hatte Angst, dass sie letztendlich eher einer Maschine als einer Frau
ähneln würde. Aber Manfred hat nie wirklich begriffen, was
Kindheit bedeutet, vor allem deswegen nicht, weil er selbst nie
richtig erwachsen geworden ist. Er hat immer zum Herumspielen
geneigt.«
    »Erzähl mir von der Katze«, wirft Sirhan leise ein.
Ein Blick auf die Tür an der Laderampe verrät ihm, dass
hier vor kurzem etwas angeliefert wurde. Foglets – Nanoteilchen, die sich zur Wolke des Utility Fog verbinden
können – haben an den Türkanten eine dünne
flockige Schicht gebildet, die jetzt wie zerfetzte blaue Zuckerwatte
abblättert, sodass das Metall hindurchschimmert. »Ist sie
nicht verloren gegangen oder so?«
    Pamela rümpft die Nase. »Als deine Mutter weggelaufen
ist, hat sich die Katze auf deren Starwhisp heraufgeladen und den
eigenen Körper gelöscht. Sie war die Einzige von allen, die
den Mumm dazu hatte – vielleicht hatte sie aber auch nur Angst,
ich würde sie als Belastungszeugin vorladen lassen. Ich kann
allerdings auch nicht ausschließen, dass dein Großvater
ihr einen Selbstmord-Reflex eingegeben hat. Eine solche
Bösartigkeit ist ihm durchaus zuzutrauen, schließlich war
er inzwischen so programmiert, mich für eine tödliche
Gegnerin zu halten.«
    »Also ist die Katze… nicht zurückgeblieben, hat in
keiner Form weiterexistiert, als meine Mutter mit ihrem Tod dem
Konkurs zuvorkam? Wie bemerkenswert.« Sirhan erspart es sich, wie selbstmörderisch hinzuzufügen. Jedes
künstliche Wesen, das bereit ist, ohne Backup oder eindeutige
Möglichkeit zur Heimkehr seinen neuronalen Zustandsvektor auf
eine interstellare, ein Kilogramm schwere Sonde heraufzuladen (die
schon fast bei Alpha Centauri angekommen ist), muss schon mehr als
einen Sprung in der Schüssel haben.
    »Die Katze ist ein rachsüchtiges Biest.« Pamela
stampft heftig mit dem Gehstock auf, murmelt einen Befehl und
lässt den Stock los. Gleich darauf baut sie sich vor Sirhan auf,
legt den Kopf in den Nacken und sieht zu ihm auf. »Meine
Güte, was für ein großer Junge du doch
bist.«
    »Person«, berichtigt er sie instinktiv. »Tut mir
Leid, ich wollte nicht anmaßend klingen.«
    »Person, Ding, Junge – was auch immer. Du hast doch ein
Geschlecht, oder nicht?«, fragt sie in scharfem Ton und wartet,
bis er widerstrebend nickt. »Man darf keinem trauen, der nicht
weiß, ob er Männchen oder Weibchen ist«, bemerkt sie
mit düsterer Stimme. »Auf solche Leute kann man sich nicht
verlassen.« Sirhan, der sein Fortpflanzungssystem auf Eis gelegt
hat, bis er es irgendwann braucht, beißt sich auf die Zunge.
»Diese verfluchte Katze«, jammert seine Großmutter.
»Sie hat meiner Tochter die Geschäftspläne deines
Großvaters überbracht und ihr den Gedanken eingegeben, in
die dunklen Tiefen abzutauchen. Sie war es, die Ambers Herz
vergiftet und das Mädchen gegen mich

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