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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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beugt
geschmeidig den Arm und kratzt sich in der Achselhöhle.
»Tut mir Leid, ’ab mich in der falschen Reihenfolge
installiert. Eigentlich wollte ich nur ’allo sagen und eine
Nachricht überbringen.«
    »Was für eine Nachricht? Du hast meine Großmutter
völlig durcheinander gebracht. Und wenn sie herausfindet, dass
du hier bist…«
    »Das wird sie nicht. Bin gleich wieder weg.« Der Affe
– Annette – setzt sich auf. »Dein Großvater
lässt dich grüßen. Ich soll dir ausrichten, dass er
dich bald besuchen kommt – und das ’eißt
persönlich, in seinem Körper. Es liegt ihm sehr viel daran,
sich mit deiner Mutter und ihren Passagieren zu treffen. Das ist
alles. Soll ich ihm auch etwas von dir ausrichten?«
    »Ist er denn nicht tot?«, fragt Sirhan wie vor den Kopf
geschlagen.
    »Genauso wenig wie ich. Und ich bin längst
überfällig. Schönen Tag noch!« Indem er mit einer
Hand über die andere greift, schwingt sich der Affe aus der
Kapsel, lässt los und plumpst zehn Meter in die Tiefe, auf den
harten Steinboden. Sein Schädel macht ein Geräusch, als
schlüge ein hart gekochtes Ei auf Beton auf.
    »O je.« Sirhan atmet schwer. »Stadt!«
    »Ja, junger Herr?«
    »Schaff den Körper da drüben weg.« Er deutet
über den Balkon. »Ich darf dich bitten, meine
Großmutter nicht mit irgendwelchen Einzelheiten zu behelligen.
Insbesondere darfst du ihr nicht sagen, dass es Annette war, das
könnte sie aus der Fassung bringen.« Wenn man eine
langlebige posthumane Familie hat, denkt er, liegt die Gefahr
darin, dass allzu viele verrückte Tanten in einer Raumkapsel
herumhopsen. »Falls du eine Möglichkeit findest, Tante
Annette davon abzuhalten, weitere Affen auftauchen zu lassen,
wäre das eine gute Idee.« Ihm schießt ein Gedanke
durch den Kopf. »Weißt du übrigens, wann mein
Großvater hier ankommen soll?«
    »Ihr Großvater? Ist der nicht tot?«
    Sirhan blickt über den Balkon, auf den Leichnam des
Eindringlings, aus dem Blut sickert. »Nach dem, was die
jüngste Inkarnation seiner zweiten Ehefrau gesagt hat, ist er
durchaus lebendig.«
     

     
    Das Familientreffen zu finanzieren wird kein Problem sein, erkennt
Amber, als sie ein Angebot für die Reinkarnation erhält,
das für alle Passagiere und Besatzungsmitglieder der Field
Circus gilt.
    Woher das Geld stammt, weiß sie nicht genau. Vermutlich
rattert da irgendeine schwerfällige, von ihrem Vater konzipierte
Geldmaschine, zum ersten Mal seit Jahrzehnten aus dem Winterschlaf
der Baisse erwacht, um sich irgendwelche angestaubten
Syndikatstantiemen einzuverleiben und langfristig angelegtes
Vermögen, das bis zu ihrer Rückkehr auf Eis lag,
flüssig zu machen. Wie es sich geziemt, ist sie dankbar, sogar
überaus dankbar dafür, denn je mehr Einzelheiten sie
über die eigene mittellose Lage erfährt, desto heftiger
drückt diese Situation sie nieder. Ihr einziges Vermögen
besteht in der Field Circus, einem dreißig Jahre alten
altmodischen Starwhisp. Einschließlich der Überreste
seines zerfetzten Segels und seiner Fracht von heraufgeladenen
Passagieren und Besatzungsmitgliedern wiegt es nicht einmal zwanzig
Kilogramm. Ohne den weitsichtig angelegten Trustfonds, der
plötzlich zum Leben erwacht ist, würde sie in der
Sphäre ewig kreisender Leptonen festsitzen. Allerdings steht sie
jetzt, nachdem der Fonds ihr sein Angebot für die Reinkarnation
übermittelt hat, vor einem Dilemma. Denn einer der Passagiere
auf der Field Circus hat eigentlich noch nie einen
fleischlichen Körper besessen…
    Als Amber die Schnecke aufsucht, ist sie gerade damit
beschäftigt, mittels des Browsers einen transparenten Raum zu
durchstöbern. Darin befinden sich träge schwankende Zweige,
die violetten Korallenfächern ähneln. Es sind die
gespeicherten Spuren fremdartigen Lebens: Die Art besteht aus
Wärme liebenden, schwammartigen Gebilden, in deren Filamenten
die Proteine Actin und Myosin interagieren. Die mit Muskelzellen
ausgestatteten, glitschigen Geschöpfe filtern ihre Nahrung und
fressen in der Luft schwebende einzellige Organismen. Die Schnecke
selbst ist ungefähr zwei Meter lang und hat ein kompliziert
gebautes weißes Exoskelett aus Krümmungen und
Wölbungen, die sich niemals wiederholen und auf beunruhigende
Weise an eine Penrose-Parkettierung erinnern. Unter dem Skelett
pulsieren in gemächlichem Tempo schokoladenbraune Organe. Die
Unterseite ist trocken, wirkt aber schwabbelig.
    In Wirklichkeit ist die Schneckenform eine künstliche, von
Chirurgen

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