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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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eine kleine Menschenmenge versammelt. Manche Leute sind leger
gekleidet, andere tragen die formelle Garderobe früherer
Jahrzehnte. Die meisten sind erst jüngst aus den Tanks
aufgetauchte Passagiere oder Besatzungsmitglieder des Starwhisp, aber
es ist auch eine Hand voll argwöhnisch blickender Einsiedler
erschienen, deren Körpersprache Abwehr verrät. Auf diese
Leute konzentrieren sich die ständig herumsummenden
Sicherheitsdrohnen.
    Sirhan steigt aus dem silbernen Wagen aus und zaubert ihn weg
– was bedeutet, dass sich ein kaum sichtbarer Schwarm von
Foglets verteilt und vom Wind verweht wird. »Willkommen in
meiner Heimat.« Würdevoll verbeugt er sich vor dem Kreis
neugieriger Gesichter. »Ich heiße Sirhan al-Khurasani und
bin als Hauptgeschäftsführer für diesen kleinen Winkel
des derzeit laufenden Terraforming-Projekts des Saturns
zuständig. Wie manche von Ihnen vermutlich wissen, bin ich durch
Erzeugung und Blutsbande mit Ihrem früheren Kapitän Amber
Macx verbunden. Ich möchte Ihnen die Annehmlichkeiten meiner
Heimat zur Verfügung stellen, während Sie sich
akklimatisieren, an die veränderten Bedingungen innerhalb dieses
Systems gewöhnen und überlegen, wohin Sie sich als
Nächstes wenden möchten.«
    Er geht auf den U-förmigen Tisch aus verdichteter Luft zu,
der unter dem Brustkorb des toten Dinosauriers schwebt, dreht sich
langsam um, weil er sich die Gesichter einprägen will, und sieht
blinzelnd auf die Texteinblendungen, die ihn an das Who is Who dieser Versammlung erinnern. Gleich darauf runzelt er leicht die
Stirn: Von seiner Mutter ist nichts zu sehen. Aber dieser drahtige
Bursche da drüben, der mit dem Bart – das ist doch bestimmt
nicht möglich, oder? »Vater?«, fragt er.
    Sadeq zwinkert wie eine Eule. »Kennen wir uns?«
    »Möglicherweise nicht.« Sirhan merkt, wie sich in
seinem Kopf alles dreht. Denn Sadeq wirkt zwar wie eine jüngere
Version seines Vaters, doch irgendetwas stimmt nicht,
irgendetwas Wesentliches ist ganz anders: die höflich besorgte
Miene, das Fehlen jeglicher innerer Beteiligung, der Mangel an
väterlicher Zuwendung. Dieser Sadeq hat den Säugling Sirhan
nie in den Armen gehalten, hat ihm nie das Kontrollzentrum des
Achsenzylinders im Ring gezeigt, hat ihn nie auf den Wirbelsturm
hingewiesen, der über riesige Flächen des Antlitzes von
Jupiter hinwegfegt, hat ihm nie Geschichten von Dämonen und
Wundern erzählt, bei denen dem kleinen Jungen sich die
Härchen aufgestellt haben. »Ich mache dir das nicht zum
Vorwurf, das kann ich versprechen«, platzt er heraus.
    Sadeq zieht eine Augenbraue hoch, gibt aber keine Bemerkung dazu
ab, sodass die Versammelten betreten schweigen. »Nun ja«,
sagt Sirhan hastig, »bitte bedienen Sie sich doch an Speisen und
Getränken, später ist ja noch jede Menge Zeit für
Gespräche.« Obwohl er voll damit beschäftigt sein
wird, die Party auszurichten, hält er nichts davon, sich in
mehrere Versionen aufzuspalten, nur um mit diesem oder jenem Menschen
zu reden – das bringt allzu viele Möglichkeiten von
Irrungen und Wirrungen mit sich, die sich als peinlich erweisen
könnten.
    Als er sich umsieht, fällt sein Blick auf einen
kahlköpfigen, aggressiv wirkenden Burschen mit buschigen
Augenbrauen. Er trägt etwas, was wie ein Paar abgeschnittener
Hosen aussieht, dazu ein Oberteil, das aus Resten eines Raumanzugs
besteht. Wer ist er? (Sirhans Agenten soufflieren: »Boris
Denisowitsch.« Aber was bedeutet das?) Da drüben
steht eine belustigt wirkende ältere Frau, auf deren Schultern
eine Kamera in den grellen Farben eines Paradiesvogels mit
glänzenden Knopfaugen lauert. Die jüngere Frau hinter ihr
ist von Kopf bis Fuß in eng anliegendes Schwarz gewandet. Ihr
derzeit aschblondes Haar ist zu vielen kleinen Zöpfen
geflochten. Sie beobachtet ihn, genau wie Pierre, der ihr
schützend den Arm um die Schultern gelegt hat. Die beiden… Amber Macx? Das ist seine Mutter? Sie wirkt viel zu
jung dazu und viel zu verliebt in Pierre. »Amber!«, sagt
er, als er auf das Paar zugeht.
    »Ja? Und du bist, äh, die geheimnisvolle Partei, die den
Rechtsstreit wegen Alimenten mit mir führt?« Ihr
Lächeln ist eindeutig unfreundlich, als sie fortfährt:
»Kann nicht behaupten, dass ich unter diesen Umständen
hocherfreut bin, dich kennen zu lernen. Obwohl ich dir für die
fürstliche Bewirtung danken sollte.«
    »Ich…« Seine Zunge bleibt am Gaumen kleben.
»So ist es ja gar nicht.«
    »Wie soll man es denn auffassen?«, fragt sie scharf

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