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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
seifenblasenartigen
Unterkünften aus dem Boden, produziert von Utility Foglets, die
sich zu verschiedenen Formen und Baustilen miteinander verbinden.
    Sirhan ist nicht der einzige Bewohner der Feststadt, doch die
anderen bleiben lieber für sich. Wen könnte es schon
reizen, derzeit hier draußen zu leben, volle Lichtminuten vom
Rest der Zivilisation entfernt? Nur bourgeoise Einzelgänger und
durchgeknallte Einsiedler. Das Netzwerk von Lilienblatt-Habitaten
rund um den Saturn ist noch nicht auf die Einwanderungswelle
eingestellt, die über dieses abgeschiedene Ufer hereinbrechen
wird, sobald die Weltausstellung vor der Tür steht. Doch bis
dahin werden noch mindestens zehn Jahre vergehen. Ambers fliegender
Zirkus hat die einheimischen Einsiedler in den Untergrund getrieben,
und in einigen Fällen ist das durchaus wörtlich zu nehmen.
Sirhans Nachbar Vinca Kovic hat sich nach bitterer Klage über
das geschäftige Treiben und den Lärm (»Vierzig
Immigranten! Das ist wirklich ungeheuerlich!«) in einer
abgedichteten Kapsel verschanzt und überwintert am Ende eines
aus echter Seide gesponnenen Kabels, einen Kilometer unterhalb der
Konstruktionen, die die Stadt stützen. Was Sirhan keineswegs
davon abhält, einen Empfang für die Besucher zu
organisieren.
    Er hat den prächtigen Esstisch des Museums zusammen mit dem
Skelett des Argentinosaurus nach draußen gestellt und im
Brustkorb des Dinosauriers sogar ein Speisezimmer eingerichtet.
Nicht, dass er vorhätte, jetzt schon alle Trümpfe
auszuspielen, doch es wird interessant sein zu beobachten, wie seine
Gäste darauf reagieren. Und vielleicht wird es den
geheimnisvollen Wohltäter hervorscheuchen, der die Kosten
für all diese fleischlichen Körper übernommen hat.
    Während der zweite Sonnenuntergang in diesem Tageszyklus den
Himmel nach und nach in Violett taucht, laden Sirhans Agenten die
Gäste höflich zur Party ein. Mittels eines uralten
Telefons, das nur Gespräche überträgt, spricht Sirhan
seine Pläne mit Pamela durch. Gleichzeitig kleidet ihn sein
stummer Diener mit übermenschlichem Taktgefühl und
entsprechender Geschicklichkeit an. »Ich bin mir sicher, dass
sie darauf hören, wenn man ihnen ihre Situation klar vor Augen
hält«, sagt Sirhan. »Falls nicht, nun ja, dann werden
sie bald herausfinden, was es nach dem geltenden Wirtschaftssystem
2.0 bedeutet, bettelarm dazustehen. Kein Zugang zur
Multiplizität des Netzwerks, keine Möglichkeit, eigene
Vorstellungen durchzusetzen, Beschränkung auf rein örtliche
Ressourcen, dazu noch der Umstand, auf Gedeih und Verderb
beutegierigen Borganismen und Metareligionen ausgeliefert zu sein
– das ist kein Honiglecken hier draußen!«
    »Du hast nicht die Mittel, diese Sache allein
durchzuziehen«, entgegnet seine Großmutter im
Oberlehrerton. »Wäre das alte Wirtschaftssystem noch in
Kraft, könntest du auf die Infrastruktur von Banken und
Versicherungen oder andere Investoren von Risikokapital
zurückgreifen…«
    »Aus rein menschlicher Perspektive ist kein Risiko mit diesem
Geschäftsvorhaben verbunden«, beteuert Sirhan. »Das
einzige Risiko besteht darin, es mit einer derart begrenzten
Rücklage in die Welt zu setzen.«
    »Man kann dabei gewinnen und verlieren. – Zeig dich doch
mal.« Seufzend gibt Sirhan einer Kamera (die verblüfft
aufblinkt, als er sie zum Leben erweckt) das Zeichen zur Aufnahme.
»He, du siehst gut aus! Von Kopf bis Fuß der Manager eines
traditionsreichen Familienbetriebs. Ich bin stolz auf dich,
Liebling.«
    Sirhan nickt und blinzelt dabei eine Träne weg, denn aufgrund
des ungewohnten Lobs sind ihm die Augen vor Stolz feucht geworden.
»Wir sehen uns in ein paar Minuten«, sagt er und legt auf.
Und zum nächsten Diener: »Bring mir jetzt den
Wagen.«
    Eine Wolke von Utility Foglets kräuselt sich. Zum Teil
verbinden sich die winzigen Nanoroboter miteinander, zum Teil
lösen sie sich voneinander, bis sich schließlich die
Silhouette eines Rolls-Royce Silver Ghost des Baujahrs 1910
herauskristallisiert. Die vollendete Kopie trägt Sirhan lautlos
davon, von dem Museumsflügel, der nur ihm vorbehalten ist, auf
die kleine Straße rund um das Museum, die jetzt ins Licht des
Sonnenuntergangs getaucht ist. Von dort aus befördert sie ihn
zum tiefer gelegenen Amphitheater, in dem auf erhöhtem Podest
das Skelett des Argentinosaurus steht. Im orange-silbernen
Schein der faseroptischen Ringlichter wirkt er wie eine halb
zusammengeschmolzene Säulenskulptur. Um ihn herum hat sich
bereits

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