Accelerando
des
Routers gefunden haben. Und du auch nicht, stimmt’s? Die
Matroschka-Gehirne sind ein ganz normaler Teil des stellaren
Lebenszyklus. Das Leben bringt Intelligenz hervor, die Intelligenz
intelligente Materie und eine Singularität. Ich hab ein wenig
darüber nachgedacht. Ich nehme an, die Singularität bleibt
in den meisten Fällen eng auf den Ort ihres Ursprungs
beschränkt. Und zwar deswegen, weil jeder, der zu anderen
Raumregionen aufbricht, aufgrund von Bandbreite und Latenzzeit
wesentliche Nachteile zu erwarten hat. Die Kehrseite davon, über
derart enorme Ressourcen im Umfeld der Heimat zu verfügen, liegt
darin, dass der Faktor Reisezeit, wenn man zu anderen Sternsystemen
vorstoßen will, immer heikler wird. Also wandelt man die ganze
Masse des eigenen Sternsystems in eine Hülle von frei
schwebenden Nanocomputern um, schafft immer mehr davon:
Dyson-Sphären, Hüllen innerhalb von Hüllen, wie bei
einer russischen Puppe, ein Matroschka-Gehirn. Und dann taucht das
Wirtschaftssystem 2.0 oder eines seiner Nachfolger auf und
löscht die Schöpfer solcher Gehirne aus. Aber: Einige von ihnen überleben. Einige von ihnen entgehen
diesem Schicksal: die riesige Ansammlung im Strahlenkranz rund um
M-31, vielleicht auch die Unbekannten, die den Router geschaffen
haben. Irgendwo da draußen werden wir diese
transzendenten Intelligenzen finden, die Intelligenzen, die ihre
eigene Wirtschaftsmaschinerie der Umverteilung überlebt haben.
Es ist eine Wirtschaftsmaschinerie, die Entropie neu verteilt, sobald
die ökonomische Effizienz das ihr eigene
Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit
überflügelt, neue Quellen des Reichtums aufzutun.«
Sie schweigt kurz. »Meine Mutter ist gestorben«, fahrt
sie im Plauderton fort, auch wenn ihre Stimme leicht schwankt.
»Wem soll ich jetzt gegen das Schienbein treten?«
Sirhan räuspert sich. »Ich habe mir erlaubt, einige
ihrer Worte aufzuzeichnen«, sagt er langsam. »Aber sie
hielt nichts von Backups. Oder vom Uploading. Auch nichts von
Interfaces.« Er lässt den Blick in die Runde schweifen.
»Ist sie wirklich gestorben?«
Amber blickt direkt durch ihn hindurch. »Sieht ganz danach
aus«, sagt sie leise. »Ich kann’s noch gar nicht ganz
glauben.« Mit einem Blick auf die Tauben in ihrer unmittelbaren
Nähe ruft sie wütend: »He du! Was hast du jetzt
zu deiner Entlastung vorzubringen? Freust du dich, dass sie gestorben
ist?«
Doch die Tauben verharren alle miteinander in seltsamer Stille.
Und Sirhan hat das überaus merkwürdige Gefühl, dass
die Vogelschar, die früher mal sein Großvater war,
trauert.
die politische
kandidatin
WÄHREND AUF DEM SATURN EIN HALBES JAHR VERGANGEN ist –
auf der Erde mehr als ein Jahrzehnt –, hat sich vieles
verändert. Das große Terraforming-Projekt ist fast
abgeschlossen; der Planet ist festlich für eine Feier
herausgeputzt, die fast zwanzig Saturnjahre (was vier menschlichen
Lebensspannen in der Zeit vor der Singularität entspricht)
dauern wird, bis die Zerstörung einsetzt. Die
lilienförmigen Habitate haben sich stark vermehrt und ihre
Ränder so miteinander verbunden, dass in den oberen
Wolkenschichten des Saturns ein ganzer Kontinent entstanden ist. Und
der Einzug der Flüchtlinge hat begonnen.
Rund fünfzig Kilometer von dem hierher verpflanzten Boston
Museum of Science, in dem Sirhans Mutter wohnt, gibt es einen Markt,
der sich auf Kleidung und modische Accessoires spezialisiert hat. Er
liegt an einem Verkehrsknotenpunkt zwischen drei Habitaten, an dem
sich die Streckenführungen von drei Magnetschwebebahnen
überschneiden und ein riesiges Kleeblatt bilden. Der Markt
bietet jede Menge seltsamer, spektakulärer Anblicke, deren
Algorithmen sich vor den in Bonbonfarben gestreiften Zeltmarkisen
schneller als in Echtzeit entfalten. In kuppelförmigen Jurten
speien primitive Feuerstellen aromatischen Rauch aus (warum
müssen diese unbehaarten Primaten eigentlich ständig
irgendwelche Feuerchen legen?), der zu den mit Diamantglas
verkleideten Kehrmaschinen dringt, die vorsichtig die intelligenten
Straßen der Stadt abfahren. Die Menschenmenge ist bunt
zusammengewürfelt; die Einwanderer, die hier einkaufen und
feilschen, stammen von allen nur denkbaren Kontinenten. Einige wenige
stehen auf den Bürgersteigen vor Trinkbuden im Design riesiger
Schneckenhäuser herum oder auch vor niedrigen Bunkern, deren
dünne Mauern dadurch entstanden sind, dass hauchdünnes
Aerogel mit Betonschichten überzogen wurde. Sie sind
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