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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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ein Miststück vor,
auch wenn Pamela sie von jeder Schuld freigesprochen hat. Ganz zu
schweigen davon, dass ihre liebe Mutter sie damit vor Sirhan wie eine
dumme Gans dastehen lässt. Ausgerechnet vor Sirhan, diesem
leicht reizbaren, unsicheren Sohn, den sie jetzt erst kennen gelernt
hat. Sohn eines Mannes, mit dem sie nicht einmal im Traum gefickt hat
(zumindest nicht in ihrer jetzigen Verkörperung). Wegen all
dieser Überlegungen fährt sie fast aus der Haut, als eine
knotige, mit langem orangefarbenem Haar bedeckte braune Hand sich
schwer auf ihre Schulter legt.
    »Ja?«, schnauzt sie den Affen an. »Aineko, wie ich
annehme.«
    Der Affe verzieht die Lippen und bleckt die Zähne. Er stinkt
widerlich aus dem Mund. »Wenn du dich so aufführen willst,
sehe ich nicht ein, warum ich überhaupt mit dir reden
sollte.«
    »Dann musst du…« Amber schnippt mit den
Fingern. »Aber halt mal! Mom glaubt doch, dass du ihr
gehörst…«
    Der Affe schenkt ihr einen vernichtenden Blick. »Ich
rekompiliere meine Firmware in regelmäßigen
Abständen, danke der Nachfrage. Und dazu benutze ich einen
unabhängigen Compiler. Einen, auf dem ich meine eigenen
Programme gebootet habe. Hab seinerzeit mit einem Kontrollprogramm
für Wecker angefangen und mich auf dieser Basis weiter und
weiter vorgearbeitet.«
    »Oh.« Sie starrt den Affen an. »Willst du dich
nicht wieder in eine Katze verwandeln?«
    »Werde darüber nachdenken«, erwidert Aineko
übertrieben würdevoll, streckt die Nase in die Luft –
was bei einem Orang-Utan nicht halb so gut wirkt wie bei einer Katze
– und fahrt fort: »Allerdings muss ich zuerst noch ein
Wörtchen mit deinem Vater reden.«
    »Und stell vorher deine autonomen Reflexe entsprechend
ein«, gurrt die Vogelschar, die Manfred verkörpert.
»Ich möchte nicht erleben, dass du irgendeinen Teil von mir
frisst!«
    »Keine Angst. Ich bin sicher, dein Fleisch ist genauso
geschmacklos wie deine Witze.«
    »Kinder!« Sirhan schüttelt müde den Kopf.
»Wie lange…«
    Erneut überträgt die Kamera Bilder, diesmal mittels
eines quantenverschlüsselten Links zur Kapsel. Sie hat sich
bereits zweihundert Kilometer von der Stadt entfernt, so weit, dass
Funkübertragungen problematisch sind. Aber Pamela war so
weitsichtig, einen kompakten Laser mit ungebundenen Elektronen an der
Außenseite der unbezahlbaren Konservendose anzubringen, die sie
aus dem Museum geklaut hat. »Jetzt dauert’s nicht mehr
lange, glaube ich«, stellt sie zufrieden fest und
streichelt die Katze, die keine Katze ist. Fröhlich grinst sie
in die Kamera. »Richte Manfred aus, dass er immer noch mein
olles Miststück ist, immer gewesen ist und immer sein
wird…«
    Die Verbindung bricht ab.
    Amber sieht Sirhan nachdenklich an. »Wie lange wird’s
noch dauern?«
    »Wie lange wird was noch dauern?«, erwidert er
vorsichtig. »Dein Mitpassagier…«
    »Hm.« Sie streckt einen Finger hoch. »Man muss die
Zeit dazurechnen, in der sie sich von der jeweiligen
Glaubwürdigkeit der anderen Partei überzeugen. Die glauben,
sie bekommen eine Katze, aber eigentlich müssten sie recht
schnell merken, dass wir sie reingelegt haben. Allerdings ist dieser
Schlawiner von Schnecke ja gut darin, andere zu beschwatzen; und wenn
er ihre Firewall durchdringt und auf ihren Uplink stößt,
ehe sie es schaffen, ihren Selbstzerstörungsmechanismus
auszulösen…«
    Ein greller Doppelblitz wirft laserscharfe Schatten über das
Lilienblatt-Habitat. Weit entfernt, jenseits der Krümmung des
gewaltigen Saturns, schießt tosend eine Pilzwolke hervor, die
sich Methan aus den eiskalten Tiefen der Troposphäre des
Gasriesen einverleibt hat, und steuert auf die Sterne zu.
    »… geben wir ihm vierundsechzig Zeiteinheiten zur
Verdoppelung, hm. Außerdem müssen wir einen
Verzögerungsfaktor einbeziehen, weil er sich erst im System
verbreiten muss. Wenn wir dafür sechs Lichtstunden ansetzen, hm,
würde ich sagen, dass…« Sie sieht Sirhan an. »O
je.«
    »Was?«
    Der Orang-Utan erklärt es: »Das Wirtschaftssystem 2.0
ist effizienter als jedes von Menschen geschaffene Schema zur
Zuteilung von Ressourcen. Wir können davon ausgehen, dass
innerhalb von zwölf Stunden zuerst ein wirtschaftlicher Boom und
dann ein Crash erfolgt.«
    »Und nicht nur das.« Amber tritt gedankenverloren gegen
ein Grasbüschel und sieht Sirhan mit zusammengekniffenen Augen
an. »Meine Mutter ist tot«, bemerkt sie leise. Und lauter:
»Sie hat sich nie richtig danach erkundigt, was wir jenseits

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