Accelerando
so
wie das von Menschen zu dem von Bandwürmern. Würden wir
denn tun… was sie uns sagen?«
»Vielleicht.« Als Amber wie angewurzelt stehen bleibt,
mustert Rita die Umgebung. Sie befinden sich unter freiem Himmel, in
einer fünf Quadratmeter großen Nische nahe beim
Mittelpunkt des Irrgartens, die auf allen Seiten von Hecken
umschlossen ist. Es gibt hier drei Eingänge und einen
taillenhohen Altar aus Schiefer, der verwittert und von Flechten
überzogen ist. »Ich glaube, du kennst die Antwort
darauf.«
»Ich…« Rita starrt sie an.
Amber erwidert den Blick und sieht sie aus ihren dunklen Augen
forschend an. »Du stammst ursprünglich aus einem der
Ganymed-Orbitale und bist via Titan hierher gekommen. Du kanntest
meine Eigenschwester, meinen anderen Zustandsvektor,
während ich mich außerhalb des Sonnensystems befand und in
einem Diamanten von der Größe einer Cola-Dose umher flog.
Das ist jedenfalls das, was du mir erzählt hast. Du
verfügst über Fähigkeiten, die perfekt zur
Forschungsgruppe des Wahlkampfteams passen. Und du hast mich gebeten,
dich mit Sirhan bekanntzumachen. Dann hast du ihn wie eine
Professionelle angemacht. Welche Nummer willst du hier eigentlich
abziehen? Warum sollte ich dir vertrauen?«
»Ich…« Ritas Gesichtszüge entgleisen.
»Ich hab ihn doch gar nicht angemacht! Er dachte nur, ich
wollte ihn ins Bett zerren.« Sie hebt trotzig den Blick.
»Aber das wollte ich gar nicht. Ich möchte doch nur
erfahren, was dich – was ihn – umtreibt…«
Riesige, Unheil verkündende Schemata bombardieren ihren
Exocortex mit Fragen und lösen dort Warnungen aus. Jemand
durchforstet ihre über das ganze äußere System
verbreiteten chronologisch angelegten Datenbanken und geht ihre
Vergangenheit bis ins kleinste Detail durch. Zutiefst gedemütigt
und wütend sieht sie Amber an. Die Tatsache, dass Amber es als
nötig betrachtet, den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben mittels
öffentlich zugänglicher Unterlagen zu überprüfen,
bedeutet, dass sie deren Vertrauen völlig verspielt hat.
»Was tust du da?«
»Ich habe einen bestimmten Verdacht.« Amber steht so da,
als wolle sie gleich davonlaufen. Vor mir davonlaufen?, fragt
sich Rita bestürzt. »Du hast mal gesagt: Könnten die
rekonstruierten Simulierten vielleicht dem Unterbewusstsein des Nachwuchses entsprungen sein? Und komischerweise habe ich
diese Möglichkeit mit Dad erörtert. Er sprüht immer
noch vor Ideen, wenn man ihm ein Problem aufzeigt, weißt
du.«
»Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.«
»Nein, das verstehst du wohl wirklich nicht.« Rita
spürt die heftige Anspannung, die rings um Amber in der Luft
liegt. Die ganze computerisierte Umgebung mit ihren
staubkorngroßen Chips, dem Utility Fog und den Nebelwolken aus
diamantklaren optischen Prozessoren in Boden, Luft und Haut
trübt sich ein und wird zähflüssig; mühsam
bewältigt dieses Umfeld die Last der Aufgaben, die Amber mit
ihrer technologischen Ausrüstung für
Führungskräfte ihm zu lösen befohlen hat. Sekundenlang
verliert Rita den Zugang zur Hälfte ihres Verstandes und hat das
panische, klaustrophobische Gefühl, im eigenen Kopf eingesperrt
zu sein. Dann hört es plötzlich auf.
»Sag’s mir!«, fordert sie Amber auf. »Was
willst du damit beweisen? Da liegt ein Irrtum vor…« Und zu
ihrer großen Verblüffung nickt Amber mit mürrischer,
müder Miene. »Was hab ich deiner Meinung nach
verbrochen?«
»Gar nichts. Die Unterlagen stimmen mit deinen Angaben
überein. Die Sache tut mir Leid.«
»Stimmen überein?« Rita hört selbst, dass ihre
Stimme vor Empörung schrill wird. Gleichzeitig merkt sie, wie
Teile ihres Selbst, von denen sie sekundenlang abgeschnitten war, vor
Erleichterung erschauern. »Ich werd dir zeigen, was
übereinstimmt und was hier überhaupt nicht stimmt! Meinen
Exocortex anzugreifen…«
»Halt den Mund.« Während Amber sich das Gesicht
reibt, übermittelt sie Rita gleichzeitig den Zugang zu einem
verschlüsselten Kanal.
»Warum sollte ich?«, fragt Rita, ohne das Angebot zum
Handshake anzunehmen.
»Warum? Darum!« Amber sieht sich um. Sie hat Angst, wird Rita plötzlich klar. »Tu’s einfach«,
zischt Amber.
Als Rita die Sendung akzeptiert und deren Ende erreicht ist, wird
ihr eine riesige Menge erläuternder Daten übermittelt, die
zwar nicht detailliert aufbereitet, aber gegliedert und mit Vermerken
und Verzeichnissen versehen sind, die darauf hinweisen,
dass…
»Ach du Scheiße«, flüstert sie, als
ihr klar wird, worum
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