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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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eine wilde Such- und Verfolgungsjagd, schwingen
behelfsmäßige Speere und Selbstladegewehre. Man kann dabei
weder sich noch anderen wehtun, denn die Körper sind jederzeit
austauschbar: Die in jedem Raum vorhandenen Assembler/Disassembler
können sie in einer Minute wiederherstellen. Es sind nur wenige
Erwachsene da, denn der Rote Platz ist derzeit kein angesagter
Treffpunkt. Also haben ihn die Kids zu ihrem Revier erklärt und
nutzen ihn als Spielplatz. Sie sind tatsächlich noch im
Kindesalter, Ausdruck einer demografischen Erneuerung. Es ist weder
eine Wendy noch ein Peter Pan darunter.
    Ein magerer Junge mit haselnussbrauner Haut, schwarzem Wuschelkopf
und drei Armen verfolgt geduldig einen beunruhigt blickenden
I-Ah-Esel und biegt dabei um die Ecke. Gerade geht er an einem
Sushi-Stand vorbei, da windet sich ein seltsames Tier unter einem
Schubkarren hervor, macht einen Buckel und streckt sich
genüsslich.
    Während der Junge, Manni, das neue Angriffsziel in
Augenschein nimmt, bleibt er wie angewurzelt stehen und spannt die
Hand fester um den Speer. (Der blaue Esel peitscht mit dem Schwanz,
wendet ihm den Rücken zu und schießt über eine von
Flechten überzogene Steinplatte davon, um sich in Sicherheit zu
bringen.) »Stadt, was ist das?«, fragt der Junge, ohne die
Lippen zu bewegen.
    »Was siehst du dir denn gerade an?«, erwidert die Stadt,
was ihm irgendwie merkwürdig vorkommt, allerdings nicht so sehr,
wie es eigentlich sollte.
    Das wilde Tier hört auf, eines der Vorderbeine zu strecken,
und nimmt sich jetzt das andere vor. Manni findet, dass es ein
bisschen wie ein Miezekätzchen aussieht, aber irgendwas ist
anders. Der Kopf ist ein wenig zu klein, genau wie die Augen –
und diese Krallen… »Die sind ja scharf«, sagt er
vorwurfsvoll und runzelt die Stirn.
    »Ganz wie du meinst.« Als das Geschöpf gähnt,
zielt Manni mit dem Speer in seine Richtung und umklammert den Schaft
mit beiden Händen. Das Tier hat auch scharfe Zähne,
allerdings hat es nicht in Mannis Ohren gesprochen, sondern die
Innensprache benutzt. Aber die ist doch nur für Menschen und
nicht für Spielzeuge gedacht, oder?
    »Wer bist du?«, fragt er.
    Das Tier sieht ihn frech an. »Ich kenne deine Eltern«,
sagt es und benutzt weiterhin die Innensprache. »Du bist Manni
Macx, stimmt’s? Dachte ich mir. Ich möchte, dass du mich zu
deinem Vater bringst.«
    »Nein!« Manni springt auf und versucht das Tier mit
wedelnden Armen zu verscheuchen. »Ich mag dich nicht! Hau
ab!« Mit dem Speer zielt er auf die Nase des Tiers.
    »Ich verschwinde, wenn du mich zu deinem Vater bringst«,
sagt das Tier, streckt den Schwanz wie eine Miezekatze hoch, sodass
sich das Fell aufbauscht, hält aber gleich darauf inne.
»Wenn du mich zu deinem Vater bringst, erzähl ich dir
später eine Geschichte. Na, was hältst du davon?«
    »Mir doch egal!« Manni ist zwar nur rund zweihundert
Megasekunden alt – sieben alte Erdjahre –, aber er merkt,
wenn man ihn manipulieren will, und reagiert aufsässig.
    »Kids.« Der Schwanz dieses Katzendingsdas peitscht von
einer Seite auf die andere. »Okay, Manni, wie wär’s
denn damit? Entweder du bringst mich zu deinem Vater, oder ich
zerfetz dir dein Gesicht?! Ich hab Krallen, musst du wissen.«
Gleich darauf wickelt sich das Ding geschmeidig um Mannis
Knöchel, beginnt zu schnurren und straft damit die sowieso nicht
recht glaubwürdige Drohung Lügen. Allerdings kann Manni
sehen, dass es wirklich recht scharfe Krallen hat. Wenn
überhaupt, ist es eine wilde Miezekatze, und nichts in
der künstlich aufrechterhaltenen orthohumanen Erziehung des
Jungen hat ihn darauf vorbereitet, mit einer echten wilden Miezekatze
fertig zu werden, die sprechen kann.
    »Hau ab!« Manni ist jetzt wirklich beunruhigt.
»Mom!«, brüllt er und aktiviert dabei aus Versehen die
Funkübertragung der Innensprache. »Hier ist so ein Ding …«
    »Deine Mom ist mir auch recht.« Das Katzendingsda, das
sich offenbar mit Mom abgefunden hat, hört auf, sich an Mannis
Beinen zu reiben, und blickt zu ihm auf. »Kein Grund zur Panik.
Ich tu dir nichts.«
    Manni stellt das Brüllen ein. »Wer bist du?«, fragt
er schließlich und starrt das wilde Tier an. Irgendwo,
Lichtjahre entfernt, hat ein Erwachsener sein Gebrüll
gehört; Mannis Mutter eilt herbei, springt von einer
Schaltstelle zur nächsten und prallt von gefalteten
Raumdimensionen ab, während sie blindlings auf ihn zurast.
    »Ich bin Aineko.« Das Tier setzt sich und putzt eine
Stelle am

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