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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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rekonstruierte Simulationen oder altmodische
Leute von der Erde, und das wird sich auch nicht ändern, bis der missratene Nachwuchs uns auf den Pelz rückt. Was sollen
wir tun?«
    Er zuckt die Achseln. »Ich nehme an, dass jeder, der uns
für wirklich bedroht hält, weiterziehen wird. Ist dir
eigentlich klar, dass diese Sache das Vertrauen der Accelerationistas in die Demokratie zerstören wird? Es
gibt immer noch einen Plan, der funktionieren könnte –
Manfreds Freund, der Hummer, wird auch ohne den Energiehaushalt eines
ganzen Planeten auskommen –, aber die Wahlniederlage wird
wehtun. Immer wieder geht mir durch den Kopf, das wirkliche Ziel des missratenen Nachwuchses könnte vielleicht nur darin
bestanden haben, das Wahlergebnis so zu manipulieren, dass ihnen
keine Ressourcen verloren gehen. Das ist derart plump, so wenig
subtil, dass wir es gar nicht für möglich hielten. Aber
vielleicht ist es nach deren Einschätzung an der Zeit, so grob
vorzugehen.«
    Sie zuckt die Achseln. »Das demokratische Prinzip ist bei
Rettungsaktionen fehl am Platz.« Dennoch ist ihr nicht wohl bei
dem Gedanken. »Und denk mal an all die Leute, die wir hier
zurücklassen werden.«
    »Nun ja.« Er lächelt angespannt. »Falls dir
irgendwas einfallt, das die Masse ermutigen könnte, sich uns
anzuschließen…«
    »Ein guter Anfang wäre schon gemacht, wenn man sie nicht
mehr als Masse betrachtet, die man einfach so manipulieren
kann.« Rita sieht ihn an. »Offenbar hat deine Familie einen
elitären Zug entwickelt, der erblich ist, und das wirkt nicht
gerade anziehend.«
    Anscheinend ist Sirhan diese Bemerkung unangenehm. »Wenn du mich in dieser Hinsicht für verkorkst hältst,
solltest du dich mal mit Aineko unterhalten«, sagt er
kleinlaut. »Manchmal frage ich mich, was mit dieser Katze los
ist.«
    »Vielleicht tu ich das.« Sie schweigt kurz. »Und
du? Was hast du vor? Wirst du dich den Forschungsreisenden
anschließen?«
    »Ich…« Er sieht sie von der Seite an. »Ich
könnte mir vorstellen, einen Eigenbruder mitzuschicken«, erwidert er leise. »Aber ich werde
nicht meine ganze Zukunft darauf setzen, mit Hilfe des Routers zum
anderen Ende des beobachtbaren Universums zu gelangen. In
jüngster Zeit habe ich so viel Aufregendes erlebt, dass es
für ein ganzes Leben reicht. – Eine Kopie für das
Backup-Archiv in den eisigen Tiefen, eine zweite, die sich auf
Forschungsexpedition begibt – und einedritte, die sich irgendwo
niederlässt und eine Familie gründet. Wie steht’s mit
dir?«
    »Du willst alle drei Richtungen gleichzeitig
verfolgen?«
    »Ja, ich glaube schon. Was ist mit dir?«
    »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen.« Sie lehnt
sich gegen ihn. »Das ist es doch, was letztendlich zählt,
hab ich Recht?«, murmelt sie.

 
der überlebende
     
     
    BIS ZUM NÄCHSTEN BESUCH BEI DER MACX-DYNASTIE vergehen
diesmal mehr als zehn Jahre.
    Irgendwo in der von Gas durchsetzten Dunkelheit jenseits des
örtlichen Vakuums rührt sich auf Kohlenstoff basierendes
Leben. Ein fünfzig Kilometer langer Diamantzylinder dreht sich
im Dunkeln. In die Oberfläche sind seltsame quantenphysikalische
Vertiefungen eingelassen, die fremdartigen Atomen ähneln –
Atomen, die Dimitri Iwanowitsch Mendelejew in keinem Periodensystem
der Elemente hätte identifizieren können. Die
Zylinderwände umschließen Kilotonnen von Sauerstoff und
Stickstoffgas, Megatonnen von Erde, in der es vor Leben wimmelt. In
der Dunkelheit, hundert Billionen Kilometer vom zerstörten
Planeten Erde entfernt, funkelt der Zylinder wie ein Edelstein.
    Willkommen in New Japan, einem der Orte zwischen den Sternen, an
dem sich Menschen aufhalten, nachdem das Sonnensystem für
Körper aus Fleisch und Blut nicht mehr zugänglich ist.
    Ich frage mich, auf wen wir hier wohl stoßen
werden…
     

     
    In einem der erdähnlichen Sektoren des Zylinder-Habitats
befindet sich ein offener Platz, der mit – inzwischen
verwitterten – Kalksteinplatten gepflastert ist. Deren Atome
stammen von einem Planeten, der geschmolzenes Eis nie gesehen hat.
Auf einer Seite des Platzes ist an einem schön gestrichenen
Holzrahmen ein riesiger Gong befestigt. Ringsum stehen Häuser
sowie Hütten, die zum Platz hin offen sind: Hier versorgt ein
buntes Gemisch menschenähnlicher Kellnerinnen und Kellner die
vorbeikommenden Menschen mit Speisen und Getränken. Mehrere
Kinder, die vom Teenageralter noch weit entfernt sind, liefern sich
mit ihren Spielgefährten – großäugigen
Haustieren –

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