Accelerando
beeinträchtigen. Die Roboterkatze
schläft nicht, sondern hält Wacht, lauscht auf
Eindringlinge, aber es gibt keine – bis auf die flüsternden
Gespenster des Metacortex, die ihre Zustandsvektoren in Manfreds
Träume einspeisen.
Der Metacortex, eine Ansammlung von Softwareagenten, die ihn im
Netz umgibt, holt sich seine CPU-Zyklen von den Prozessoren, die
gerade zur Verfügung stehen, zum Beispiel von der Roboterkatze.
Er ist genauso Teil von Manfred wie die Society of Mind, die
kooperierenden künstlichen Agenten in seinem Schädel, die
für höhere kognitive Leistungen sorgen. Seine Gedanken
gehen darin ein und erzeugen neue Agenten, die neue Erfahrungen
untersuchen. Nachts kommen sie zu ihrem Urheber zurück, um ihre
Erkenntnisse mit ihm zu teilen.
Während Manfred schläft, träumt er von einer
alchimistischen Hochzeit. Sie wartet in einem schulterfreien
schwarzen Kleid vor dem Altar auf ihn. In ihren behandschuhten
Fingern funkelt chirurgisches Besteck. »Das hier wird
überhaupt nicht wehtun«, erklärt sie, als sie ihm die
Fesseln anlegt. »Ich will nur dein Genom, der umfassende
Phänotyp kann noch warten… bis später.« Sie leckt
sich über die blutroten Lippen. Ein stahlharter Kuss – und
dann präsentiert sie ihm die Summe seiner Steuerschulden.
An diesem Traum ist nichts Zufälliges. Während er
träumt, lösen Mikroelektroden in seinem Hypothalamus
sensitive Neuronen aus. Als er ihr Gesicht sieht, überfluten ihn
Abscheu und Scham, und er spürt die eigene Verletzlichkeit. Um
Manfred die Scheidung zu erleichtern, versucht sein Metacortex, ihn
zu deprogrammieren und von dieser bizarren Liebe zu befreien. Schon
seit Wochen bearbeitet er ihn auf diese Weise, doch Manfred sehnt
sich immer noch nach der Berührung ihrer Peitsche, nach der
Erniedrigung durch seine eigene Frau, seine Domina, nach dem
Gefühl hilfloser Wut, wenn sie unbezahlte Steuern mit Zins und
Zinseszins von ihm einfordert.
Während Aineko weiter schnurrt, beobachtet sie ihn vom
Kopfkissen aus. Sie fährt die Krallen aus und wieder ein und
knetet das Bettzeug, erst mit einer Pfote, dann mit der anderen.
Aineko verfügt über jede Menge uralter Katzenweisheiten.
Pamela hat sie ihr eingegeben, als ihr Herrchen und Frauchen anstelle
von Scheidungsunterlagen noch Informationen und
Körperflüssigkeiten austauschten. Aineko ist inzwischen
eher Katze als Roboter, was teilweise daran liegt, dass ihr Frauchen
sich in der Freizeit gern mit der Neuroanatomie von Katzen
beschäftigt. Aineko weiß, dass Manfred unter
unbeschreiblichen neurasthenischen Anfällen leidet, aber das
kümmert sie einen Dreck, solange bei ihr die Energieversorgung
stimmt und keine Eindringlinge auftauchen.
Aineko rollt sich zusammen, tut es Manfred nach und schläft
ein. Sie träumt von lasergesteuerten Mäusen.
Als das Zimmertelefon des Hotels schrillt, fährt Manfred aus
dem Schlaf.
»Hallo?«, meldet er sich benommen.
»Manfred Macx?« Es ist eine menschliche Stimme mit rauem
Ostküstenakzent.
»Ja?« Manfred kämpft sich hoch. Sein Mund
fühlt sich wie das Innere eines Grabes an, und seine Augen
wollen sich einfach nicht öffnen.
»Mein Name ist Alan Glashwiecz, gehöre zu Smoot, den
Teilhabern von Sedgwick. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie
der Manfred Macx sind, der ein Unternehmen leitet namens, äh, agalmic – Punkt – holdings – Punkt
– root – Punkt – eins-acht-vier – Punkt – siebenundneunzig – Punkt – A wie
Anton – Punkt – B wie Berta – Punkt – fünf, eingetragen als Aktiengesellschaft?«
»Äh…« Manfred zwinkert und reibt sich die
Augen. »Bleiben Sie einen Moment dran.« Als die Muster auf
seiner Netzhaut verblassen, setzt er sich die Brille auf und
aktiviert sie. »Eine Sekunde bitte.« Browser und Menüs
sausen kreuz und quer durch seine schlaftrunkenen Augen.
»Können Sie den Namen des Unternehmens noch einmal
wiederholen?«
»Selbstverständlich.« Geduldig wiederholt
Glashwiecz alles. Er klingt genauso müde, wie Manfred sich
fühlt.
»Hm.« Manfred findet schließlich das Gesuchte,
indem er in einer komplizierten Hierarchie drei Stufen weiter nach
unten geht, wo etwas aufblinkt und beachtet werden will. Eine
dringliche Mitteilung fährt ihm dazwischen: Es ist eine Klage
wegen ungeklärter Erbschaftsangelegenheiten. Er klickt das
aufblinkende Kästchen in der Hierarchie an und prüft mit
einem Browser die Besitzverhältnisse. »Fürchte, ich
bin nicht der Leiter dieses Unternehmens, Mr.
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