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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Wirtskörper, frisch fabriziert. Offenbar hat Sirhan
mit dem Gespenst von dir geredet, das im Tempel der Geschichte
archiviert ist, und es hat sich zur Reinkarnation entschlossen.
Wirklich ein Tag ungeheurer Zufälle, nicht wahr? Warum
verbindest du dich nicht mit deinem Wirtskörper? Danach treffen
wir uns und können losziehen, um Aineko ein paar unangenehme
Fragen zu stellen.«
    Manfred holt tief Luft und nickt. »Glaube
schon…«
     

     
    Der kleine Manni, ein Klon vom Stammbaum der Familie Macx (in
Wirklichkeit ist dieser Stammbaum ein zielgerichteter zyklisch
angelegter Abhängigkeitsgraph), versteht das ganze Theater
nicht, aber er merkt, wenn seine Momma Rita durcheinander ist. Es hat
was mit diesem Miezekatzending zu tun, so viel weiß er, aber
Momma will ihm nicht sagen, was los ist. »Geh mit deinen
Freunden spielen, Liebling«, schlägt sie geistesabwesend
vor und macht sich nicht mal die Mühe, einen Agenten zu
produzieren, der auf ihn aufpasst.
    Manni geht in sein Zimmer und kramt ein Weilchen im Spielzeugraum
herum, aber da gibt es nichts, das auch nur annähernd so
interessant wäre wie die Katze. Das Miezekatzendings riecht nach
Abenteuer und ausdrücklich verbotenen Dingen. Manni fragt sich,
wohin Daddy sie mitgenommen hat. Er versucht, den Geist des
großen Manni herbeizurufen, aber sein großes Selbst
antwortet nicht. Wahrscheinlich schläft er oder so.
Zunächst tobt Manni in einem Anfall von Spielwut gereizt und
gedankenverloren herum und hinterlässt ein solches Chaos im
Spielzeugraum, dass die Figuren von Sendak unter einer großen
Basstrommel landen. Aber er langweilt sich bald. Und da er im Grunde
ein kleines Kind ist, das die eigene Metaprogrammierung noch nicht
völlig unter Kontrolle hat, denkt er nicht daran, seine innere
Einstellung auf etwas anderes als Langeweile zu programmieren.
Stattdessen schleicht er sich durch das Schlafzimmertor hinaus. (Der
Geist des großen Manni hat es für ihn vor einiger Zeit neu
programmiert, sodass es jetzt zu einem selten benutzten
öffentlich zugänglichen A-Tor führt. Mit dem Knacken
der Passwörter, einem man-in-the-middle-Hack, hat der
Geist das Tor so manipuliert, dass Manni es jetzt als
Proxy-Teleportationsserver nutzen kann.) Gleich darauf kommt er in
der Unterwelt an, auf dem Roten Platz, wo gehäutete Wesen
angesichts ihrer Peiniger bibbern und heulen, Engel mit gebrochenen
Flügeln gekreuzigt und an die Pfeiler genagelt werden, die den
künstlichen Himmel stützen, und Banden halb verwahrloster
Kinder ihre psychotischen Fantasien an androiden Replikationen ihrer
Eltern und anderer Autoritäten auslassen (die keine Münder
haben, um dagegen zu protestieren).
    Lis ist da, genauso wie Vipul, Kareen und Morgan. Lis hat sich den
Körper eines Kriegers zugelegt, die äußere Hülle
eines Unheil verkündenden grauen Schlachtroboters mit
ausgefahrenen Stacheln und einem Gürtel aus Morgensternen, die
Furcht einflößend um sie herumwirbeln. »Manni! Willst
du Krieg spielen?«
    Morgan hat an Stelle von Händen große Zangen, die alles
zermalmen können. Manni ist froh, dass er im Stil eines
Motie-Kriegers hierher gekommen ist: Sein dritter Arm ist vom
Ellbogen abwärts eine Knochensense, die in einer Scherenhand
endet. Er nickt aufgeregt. »Wer ist der Feind?«
    »Die da.« Lis geht voran und deutet auf mehrere Kinder
am anderen Ende eines kunstvoll aufgetürmten Schutthaufens. Sie
haben sich um einen Galgen versammelt und stoßen mit
irgendwelchen leuchtenden Gerätschaften in das
zurückzuckende Fleisch eines unsichtbaren Wesens, das in dem
gusseisernen Käfig eingesperrt ist. Es ist alles nur Schau,
dennoch wirken die Schreie überzeugend. Einen Moment lang
erinnert Manni sich an das letzte Mal, dass er hier unten gestorben
ist. Er weiß noch, wie unangenehm der Einschnitt in seinen
Körper und dessen Ausweidung waren und er in einem Schwarzen
Loch der Schmerzen versank. »Die haben Lucy und foltern sie. Wir
müssen sie zurückholen.« In Wirklichkeit stirbt
niemand bei diesen Spielen, jedenfalls nicht auf Dauer, aber Kinder
können tatsächlich sehr brutal sein. Und die Erwachsenen
New Japans sind zu der Auffassung gelangt, dass es am besten ist,
wenn sie die Kids ihre Kämpfe allein miteinander austragen
lassen. Sie verlassen sich dabei darauf, dass die Stadt die
Schäden später schon reparieren wird. Wenn man den Kindern
dieses Ventil zugesteht, ist es leichter, sie von wirklich
gefährlichen Dingen abzuhalten – Dingen, die die
strukturelle

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