Accelerando
auffordernd miaut, setzt er
sich auf und spürt, wie die ungewohnte seidene Unterwäsche
an seiner unglaublich wunden Haut scheuert. Immer noch ist er
vollständig angezogen, offenbar hat er sich einfach in den
Klamotten auf der Couch ausgestreckt. Aus dem Schlafzimmer dringt nur
lautes Schnarchen, anscheinend kommt das Hämmern aus Richtung
der Eingangstür. Jemand will in die Wohnung. Scheiße. Er reibt sich den Kopf, steht auf und fällt beinahe aufs
Gesicht: Nicht einmal die Schuhe mit den lächerlich hohen
Absätzen hat er abgestreift. Wie viel hab ich letzte Nacht
getrunken?, fragt er sich.
Seine Brille liegt auf der Frühstückstheke. Als er sie
aufsetzt, überfluten ihn sofort jede Menge Ideen, die dringend
nach Beachtung verlangen. Er streicht die Perücke glatt, rafft
den Rock hoch und trippelt mit böser Vorahnung zur Tür. Nur
gut, dass sich seine öffentlich gehandelte Reputation
ausschließlich auf technisch-professionelle Einschätzungen
stützt.
Während er aufschließt, erkundigt er sich auf Englisch,
wer da sei. Anstelle einer Antwort drückt jemand die Tür so
heftig auf, dass Manfred gegen die Wand fällt und erst einmal
nach Luft schnappen muss. Seine Brille gibt den Geist auf: Die
seitlichen Displays zeigen nur noch buntes Rauschen.
Zwei Männer stürmen ins Zimmer, beide tragen Jeans,
Lederjacken, Handschuhe und Gesichtsmasken, die nur Augen,
Nasenlöcher und Mund aussparen. Einer der beiden hält
Manfred einen kleinen und sehr bedrohlich wirkenden Ausweis vor die
Nase. An der Tür hat sich ein automatisches Gewehr mit autonomer
Zielsuche postiert, das alles im Visier hat. »Wo ist
er?«
»Wer denn?«, keucht Manfred kurzatmig und
verängstigt.
»Macx.« Der andere Ganove eilt ins Wohnzimmer, sieht
sich dort um und öffnet in geduckter Haltung die
Badezimmertür. Aineko lässt sich wie ein schlaffer Sack auf
den Boden vor dem Sofa plumpsen. Inzwischen ist der Ganove bis zum
Schlafzimmer vorgedrungen. Als er es durchkämmt, ist ein kurzer
Schrei zu hören, der gleich darauf erstickt wird.
»Keine Ahnung – wer?« Manfred bleibt vor Angst die
Luft weg.
Als der andere wieder aus dem Schlafzimmer auftaucht, winkt er
ab.
»Tut uns Leid, dass wir Sie belästigt haben«, sagt
der mit dem Ausweis steif und verstaut die Plastikkarte wieder in der
Jackentasche. »Falls Sie Manfred Macx sehen sollten, richten Sie
ihm aus, dass die Copyright Control Association of America ihm
rät, sich herauszuhalten. Er soll gefälligst jeden Versuch
unterlassen, Musikdieben und anderen degenerierten, abgehalfterten
Mistkerlen zu helfen, die die rationalen Werte des Objektivismus
bekämpfen. Ein guter Ruf nützt nur, wenn man es noch
erleben darf, sich darin zu sonnen. Auf Wiedersehen.«
Die beiden Copyright-Gangster verschwinden durch die Tür und
lassen einen verwirrten Manfred zurück. Während seine
Brille wieder hochfährt, schüttelt er den Kopf. Es dauert
einen Moment, bis er den Schrei aus dem Schlafzimmer registriert.
»Verdammte Scheiße – Annette!«
Annette, die ebenso wütend wie durcheinander wirkt, taucht,
ein Laken um die Taille geschlungen, in der Schlafzimmertür auf.
»Annette!« Sie sieht sich um, bemerkt ihn und lacht recht
mitgenommen. »Annette!« Er geht zu ihr hinüber.
»Wenigstens bist du nicht verletzt.«
»Du auch nicht.« Als sie ihn umarmt, merkt er, dass sie
zittert. Gleich darauf schiebt sie ihn auf Armlänge von sich
weg. »Meine Güte, welch ’übscher
Anblick!«
»Die haben nach mir gesucht.« Seine Zähne klappern. » Warum?«
Sie sieht ihn mit ernster Miene an. »Du musst baden. Danach
Kaffee trinken. Und wir sind nicht zu Hause, oui?«
»Ah, oui.« Während er auf den Boden blickt,
rappelt sich Aineko benommen hoch. »Duschen. Und danach die
Eilsendung an den Nachrichtendienst der CIA abschicken.«
»Die Eilsendung?«, fragt sie verwirrt. »Die
’ab ich doch schon gestern Abend losgeschickt. Als ich in der
Dusche war. Das Mikro ist wasserfest.«
Als die Sicherheitsleute von Arianespace auftauchen, hat Manfred
Annettes Abendkleid bereits ausgezogen und geduscht; im Bademantel
sitzt er im Wohnzimmer, trinkt Espresso aus einem Halbliter-Becher
und flucht leise vor sich hin.
Während er die Nacht in Annettes Armen durchgetanzt hat, ist
auf dem globalen Reputationsmarkt eine nicht-lineare Entwicklung
eingetreten: Die Menschen setzen ihr Vertrauen in die Christliche
Koalition und die Eurokommunistische Allianz – stets ein Zeichen
dafür, dass die Zeiten
Weitere Kostenlose Bücher