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Accelerando

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Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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schlecht sind –, während
völlig solide Handelsunternehmen abgestürzt sind, als
wäre ein großer Bestechungsskandal aufgeflogen.
    Manfred vertreibt seine Ideen für den Kudos-Konzern mittels
der Free Intellect Foundation, einer inoffiziellen Tochter von
George Soros und Richard Stallman. Seine Kreditwürdigkeit
ist durch Stiftungen ans öffentliche Wohl, die nicht nach hinten
losgehen können, bombenfest gesichert. Deshalb ist er beleidigt
und bestürzt, als er entdeckt, dass sein Ranking in den letzten
beiden Stunden um zwanzig Punke gesunken ist – und bekommt
Angst, als er sieht, dass das keineswegs ungewöhnlich ist. Er
hat mit einem Niedergang von zehn Punkten gerechnet, und zwar
aufgrund seines Einkaufs von Bezugsrechten: Er hat dafür
bezahlt, dass Unbekannte seinen alten Koffer nach Mombasa
weitergeleitet haben und ihm im Gegenzug den neuen Koffer über
die Sammelstelle für nicht abgeholtes Gepäck in Luton haben
zukommen lassen. Aber die Sache ist ernster. Offenbar hat die
Vertrauenskrise den ganzen Reputationsmarkt getroffen.
    Annette eilt geschäftig hin und her und weist das forensische
Team, das ihr das Hauptbüro von Arianespace auf ihren Hilferuf
hin geschickt hat, auf verschiedene Aspekte und den zeitlichen Ablauf
des Überfalls hin. Offenbar hat das Eindringen in ihre Wohnung
sie eher wütend gemacht und durcheinander gebracht als
beunruhigt. In dem alten Netzwerk von Raffgier, das Manfred durch
eine agalmische Zukunft ersetzen möchte, ist ein solcher Vorfall
in beruflicher Hinsicht vermutlich eine Katastrophe, zumindest
für jeden leitenden Angestellten auf Karrieretrip.
    Die adretten Forensiker, ein Mann und eine Frau – gut
aussehende, junge Libanesen mit bräunlichem Teint – richten
die gelbe Tülle ihres Massenspektroskops in verschiedene Ecken
und bestätigen, dass etwas wie Gewehröl in der Luft
enthalten ist. Aber leider haben die Eindringlinge Masken getragen,
um keine Spuren von Hautpartikeln zurückzulassen, und vor dem
Gehen Staub versprüht, den sie vom Sitz eines Stadtbusses
gesaugt haben. Also gibt es keine Möglichkeit, ihren Genotyp zu
ermitteln und mit anderen Daten abzugleichen. Gegenwärtig sind
die beiden Ermittler dafür, die Sache als – vermutlich
organisierten – Einbruch einzustufen (Organisation: unbekannt;
Gewicht des Vorfalls: beunruhigend). In Annettes Küche sorgen
sie dafür, dass die Sicherheitsstandards ihrer Alarm- und
Überwachungsanlagen angehoben werden. »Und denken Sie bitte
daran, stets Ihre Ohrringe zu tragen.«
    Als sie gegangen sind, schließt Annette die Tür ab,
lehnt sich dagegen und flucht eine ganze Minute lang vor sich
hin.
    »Die haben mir eine Botschaft der Copyright Control
Association übermittelt«, sagt Manfred nervös, als
Annette sich abgeregt hat. »Russische Gangster aus New York
haben die Kartelle, die Musik aufzeichnen, vor einigen Jahren
aufgekauft, weißt du? Als das Flickwerk von Urheberrechten
auseinander fiel und die Künstler alle dazu übergingen,
sich selbst online zu vermarkten und auf Technologien zu verlegen, in
denen Urheberrechte keine Rolle mehr spielen, waren die Mafiosi die
einzigen Leute, die denen das überholte Geschäftsmodell
abkaufen wollten. Diese Typen haben dem Schutz von Urheberrechten
eine ganz neue Bedeutung gegeben. Nach ihren Maßstäben war
das hier nur eine höfliche Aufforderung, sich künftig
herauszuhalten. Sie betreiben die CD/DVD-Läden und versuchen
jeden Kanal zur Verbreitung von Musik zu verstopfen, sofern es nicht
ihr eigener ist. Allerdings ohne großen Erfolg: Die meisten
Gangster leben in der Vergangenheit und sind viel konservativer, als
ein normaler Geschäftsmann es sich leisten könnte. –
Was hast du eigentlich an die CIA geschickt?«
    Annette schließt die Augen. »Ich weiß es nicht
mehr. Nein.« Sie streckt die Hand hoch. »Das Mikrofon war
offen. Ich hab dich aufgenommen, mitgeschnitten und eine Datei
angelegt. Das, was du über mich gesagt hast, hab ich
herausgenommen.« Sie öffnet die Augen und schüttelt
den Kopf. »Auf welchem Trip war ich bloß?«
    »Das weißt du auch nicht mehr?«
    Als er aufsteht, geht sie hinüber und schließt ihn in
die Arme. »Du warst mein Trip«, murmelt sie.
    »Quatsch.« Er entzieht sich ihr und merkt gleich darauf,
wie sehr er sie damit brüskiert. Irgendetwas in seiner Brille
blinkt, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Fast sechs Stunden ist er
nicht mehr im Netz gewesen; allmählich wird er nervös bei
der Vorstellung, all das versäumt

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