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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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schillernde Unterröcke
aufblitzen, die sich wie Öl auf Wasser kräuseln. Darunter
trägt die Frau altmodische Kampfstiefel. Also doch nicht ganz
so viktorianisch angehaucht… Ich bin hierher gekommen, um mich
mit… Der Name liegt ihm auf der Zunge. Fast. Irgendwie
spürt er, dass die Sache etwas mit diesen Leuten zu tun hat.
    Nachdem der Trupp den Stadtteil The Meadows auf einem von
Bäumen gesäumten Pfad durchquert hat, kommt eine Hausfront
aus dem neunzehnten Jahrhundert samt breiter Freitreppe und einer
glänzenden Türglocke aus Messing ins Blickfeld. Im
Unterschied zum Rest, der hineingeht, bleibt der Mann mit den
Koteletten an der Schwelle stehen und dreht sich zu Manfred um.
»Sie sind uns bis hierher gefolgt«, stellt er fest.
»Wollen Sie mit hineinkommen? Vielleicht finden Sie hier, was
Sie suchen.«
    Mit wackeligen Knien folgt Manfred den anderen. Er hat
entsetzliche Angst vor dem, was er vergessen hat – was es auch
sein mag.
     

     
    Inzwischen ist Annette damit beschäftigt, Manfreds Katze zu
verhören.
    »Wann ’ast du dein ’errchen zum letzten Mal
gesehen?«
    Aineko wendet den Kopf von ihr ab und konzentriert sich darauf,
die Innenseite ihres linken Beines sauber zu lecken. Ihr dickes Fell
wirkt ganz natürlich und ist hübsch gemustert; nur der URL
eines Herstellers, der ihre Flanken ziert, stört den
lebensechten Eindruck. Allerdings produziert ihr Maul keinen
Speichel, und die Gurgel ist weder mit einem Magen noch mit einer
Lunge verbunden. »Hau ab«, sagt Aineko. »Ich hab zu
tun.«
    »Wann ’ast du Manfred das letzte Mal gesehen?«,
wiederholt Annette unnachgiebig. »Ich ’ab keine Zeit
für solche Spielchen. Die Polizei weiß nicht, wo er sich
auf’ält, und die medizinischen Einrichtungen wissen auch
nichts. Er ist nicht mit dem Netz verbunden und antwortet nicht.
Also, was kannst du mir darüber sagen?«
    Nach Ankunft in der Empfangshalle des Flughafens und kurzem Blick
auf das Front-End für Hotelreservierungen hat Annette genau
achtzehn Minuten gebraucht, um Manfreds Hotel zu orten. Sie
weiß, wo er am liebsten absteigt. Etwas länger hat es
gedauert, die Concierge dazu zu überreden, sie in sein Zimmer zu
lassen. Doch Aineko erweist sich als widerspenstiger als
erwartet.
    »Die Artifical Intelligence Neko, Modell Alpha zwei,
fordert in regelmäßigen Abständen Erholungszeit zur
eigenen Pflege und Wartung«, erklärt die Katze
großspurig. »Das wusstet ihr doch, als ihr mir diesen
Körper gekauft habt. Was habt ihr denn von einem
Fleischkloß erwartet? Eine Fünfundvierzigstunden-Woche?
Verschwinde, ich hab nachzudenken.« Die raue Katzenzunge
schnellt vor und hält inne, damit die Mikrosonden an deren
Unterseite die ausgefallenen Haare ersetzen können.
    Annette seufzt. Manfred hat diese K.I.-Katze seit Jahren
aufgerüstet, und auch seine Ex-Frau Pamela hat an deren
neuronaler Konfiguration herumgepfuscht. Das ist bereits Ainekos
dritter Körper. Mit jedem Hardware-Upgrade wird die Katze
lebensechter, vor allem in der Hinsicht, dass sie nicht mehr
gehorcht. Früher oder später wird sie sicher auch ein
Katzenklo verlangen und anfangen, den Teppich voll zu kotzen.
»Mein Befehl ’at Vorrang vor allem anderen«, sagt
Annette. »Verbinde die Aufzeichnung aller Ereignisse in den
letzten acht Stunden mit meinem Cartesischen Theater.«
    Die Katze fährt zusammen und sieht sich nach Annette um.
»Du Miststück von Mensch!«, zischt sie und bleibt wie
angewurzelt sitzen, als eine Flutwelle von Daten das Zimmer lautlos
überschwemmt. Annette ist genau wie Aineko mit einer gespreizten
Bandbreite für optische Vernetzungen ausgestattet. Ein
Beobachter würde jetzt sehen, wie die Augen der Katze und der
Ring an Annettes linker Hand bläulich weiß aufblitzen und
einander zufunkeln.
    Nach wenigen Sekunden nickt Annette vor sich hin und wedelt mit
den Fingern in der Luft herum. Nur sie selbst kann die Sequenz sehen,
die sie angesteuert hat. Mit wütendem Zischen steht Aineko auf
und stolziert mit hoch gerecktem Schwanz davon.
    »Es wird immer seltsamer«, murmelt Annette vor sich hin,
löst die Finger voneinander, berührt merkwürdige
Druckpunkte an Knöcheln und Handgelenk, seufzt und reibt sich
die Augen. »Er ’at dieses Zimmer aus eigener Kraft
verlassen und dabei ganz normal gewirkt«, ruft sie der Katze zu.
»’at er gesagt, mit wem er sich treffen will?«
    Inzwischen sitzt Aineko in einem Sonnenstrahl, der durch das hohe
Glasfenster fällt, und dreht ihr bewusst den Rücken

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