Accidental Witch 03 - Hexe Wider Willen
sind.“
Victoria holte ihre Kamera und machte mehrere Fotos, während der Junge Rorys Barthaare eins nach dem anderen schmerzhaft herausrupfte und jedes Mal laut lachte, wenn Rory zusammenzuckte.
„Ich bin nur eine besorgte Mutter.“
„Genau“, sagte Rory. „Deswegen lassen Sie uns auf Nummer sicher gehen. Gehen Sie mit Victoria, ziehen Sie den Kleinen bis auf die Windeln aus und sehen Sie nach, ob er nicht irgendwo Prellungen hat. Und Sie, Victoria, machen noch ein paar Fotos.“
Zehn Minuten später wollte der Junge wieder auf Rorys Arm.
„Er ist hübsch und ganz schön clever“, sagte Rory, um seiner Mutter zu schmeicheln, während er ihn hochnahm.
Die Frau lächelte ihn an. „Kein Wunder, dass mein Junge so angetan von Ihnen ist.“ Sie küsste den Kleinen und drückte ihn an sich. Dann warf sie Rory einen interessierten Blick zu. „Sie sollten Ihren Akzent in Flaschen abfüllen“, meinte sie. „Ich würde alle kaufen.“
Rory gab der Frau ihr Kind zurück. Herrgott, er wünschte sich, sein verdammter Akzent würde bei Victoria nur halb so gut ankommen.
Als der Kleine und seine Mutter gingen, waren sie und Victoria Freunde geworden, und auch Rory betrachtete Victoria auf einmal mit anderen Augen.
„Danke“, sagte sie. „Ich habe ein Hinweisschild, auf dem steht, dass Eltern für Ihre Kinder haften, aber es funktioniert nicht immer.“
Rory besah sich den Schaden an der Wiege. Unter dem Aspekt, dass er gern den Job als Hausmeister bekommen wollte, um den Schlüssel für die Einhorn-Vitrine an sich zu bringen, würde er jetzt mal zeigen, was er draufhatte. So konnte er auch den Schaden wiedergutmachen, den er mit seiner Bemerkung angerichtet hatte, dass sie gut im Futter gestanden habe. „Ich repariere das“, erklärte er.
„Machen Sie Witze? Wieso?“
„Sie ist aus Holz. Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich Karussellpferde schnitze … aus Holz.“
„Nein, ich meine, warum sollten Sie sich die Zeit dafür nehmen, Sie kennen mich doch gar nicht.“
Rory strich mit den Fingern über seinen Bart. „Ich … habe diesen Unfall kommen sehen, und ich hätte ihn eigentlich verhindern müssen. Ich fühle mich verantwortlich. In Caperglen bin ich für meine Holzarbeiten bekannt.“
Victoria schüttelte den Kopf. „Ich meine, haben Sie denn heute nichts Besseres zu tun? Müssen Sie nicht noch irgendwo anders hin?“
„Nein, wie ich schon sagte, ich bin hergekommen, um mir das Einhorn anzusehen. Und offen gesagt, Victoria, hatte ich gehofft, das gründlicher tun zu können. Vielleicht bin ich in der Lage herauszufinden, wer es geschnitzt hat.“
Ein halbes Dutzend Kunden wartete bereits auf Victoria. „Okay, wunderbar. Sie können das Einhorn genau untersuchen, sobald der Laden geschlossen ist. Reparieren Sie die blöde Wiege. Reparieren Sie alles, was Ihnen in die Finger kommt. Vielleicht graben Sie dabei ja sogar meine Reparaturliste aus.“ Sie winkte ihn in den Raum, in den sie mit dem kleinen Jungen und seiner Mutter verschwunden war.
Es war ein vollgestopftes Hinterzimmer, wo Leinsamöl, Holzkleber und eine Computertastatur gefährlich nah beieinander standen. Es sah aus, als habe der Blitz eingeschlagen, und er schöpfte Hoffnung, dass hier vielleicht irgendwo ein Ersatzschlüssel für die Vitrine des Einhorns herumlag.
Während er sich etwas Platz machte, entdeckte er auch Victorias Reparaturliste. Sie trug ein Datum von vor zwei Jahren. Außerdem fand er einen Stapel Rechnungen. Einen großen Stapel. Darunter waren auch eine längst überfällige Krankenhausrechnung mit einer erschütternden Summe und eine Riesenrechnung für einen Leichenschmaus und eine Beerdigung. Offensichtlich hatte Victoria jemanden verloren, der ihr nahegestanden hatte, und das war noch nicht einmal vier Monate her. Genau zu der Zeit, als er begonnen hatte, davon zu träumen, sie auf einem Karussell zu küssen. Schon seltsam!
Es tat ihm leid, dass sie jemanden verloren hatte und dass die Rechnungen noch nicht bezahlt waren. Die Vermietung des Zimmers war wohl ein Hinweis auf ihre finanziellen Probleme. Aber das Einhorn hatte sie trotzdem bisher nicht verkauft. Leider richtete sich ihre Sturheit auch gegen ihn. Ihre Rechnungen wären ein hervorragendes Motiv gewesen, das Einhorn zu verkaufen, aber selbst die konnten sie offenbar nicht ins Wanken bringen.
Eigenwillig und frech trug Victoria ein Kleid, das schon seit Jahren aus der Mode war – um für ihren Secondhandladen zu werben, nahm er
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